Essen. Trotz um 20 Prozent gekürzter Zuschüsse gelang den Machern der Jazz Offensive Essen (JOE) an drei Tage ein, ein fulminantes Festival auf die Beine zu stellen.

Die schlechte Nachricht zuerst: Das Kulturbüro kürzte der Jazz Offensive Essen (kurz: JOE) für die 16. Ausgabe ihres überregional bedeutsamen JOE-Festivals den Etat um satte 20 Prozent. Die gute Nachricht: Dennoch gelang es den Programm-Machern John-Dennis Renken und Patrick Hengst, im Katakomben-Theater ein in sich stimmiges Festival auf höchstem Niveau zu präsentieren.

Möglich machten es klug genutzte persönliche Kontakte zu diversen Musikerkollegen, die Kooperation mit dem Deutsch-Französischen Kulturzentrum sowie die längst überfällige offizielle Einbindung der Folkwang Universität. Die schickte mit dem Soulfood Organ Quartet eine junge Studenten-Combo, die vielleicht ein bisschen zu akademisch, aber viel versprechend zeigte, dass man auch ohne fette Grooves mit einer Hammond-Orgel dem Modern Mainstream schöne neue Konturen geben kann. Ähnlich brav, freilich in einer anderen Liga, blieb nur die Sängerin Katrin Scheer mit ihren verträumten Songs, die in seltsamem Kontrast zum ansonsten eher zupackend-dynamischen Festivalprogramm standen.

So servierte das französische Quartet Irène farbenreiche Saxofon-Duelle zu flirrenden Beats und rockigen Rhythmen als hinreißende Melange großer Gefühle. Was einen Abend später seine Fortsetzung mit dem heimischen Zodiak Trio fand. Mischte John-Dennis Renken doch schneidende Trompeten-Sounds mit Andreas Wahls sägenden Gitarren-Linien und Bernd Oeszevims pulisierenden Beats zu groovigen Tracks von bestechener Frische und Intensität, was bestens im überfüllten Saal ankam.

Und dann ließ [em], das derzeit wohl spannendeste Piano-Trio Europas, mit einem formidablen Auftritt die globale Konkurrenz alt aussehen. Atemloses Staunen, mit welcher Intensität und Reife Michael Wollny die Klangmöglichkeiten seines Flügel auslotete. Von flüsternden Zärtlichkeiten einer Schubert-Interpretation bis zu donnernder Tastengewalt, mitreißend angetrieben von Drummer Eric Schaefer und satt geerdet von Eva Kruse als perfekter Vermittlerin am Bass. Ein Meilenstein der Festivalgeschichte.

Auf vergleichbarem Niveau musizierten sonst nur noch die alten Herren Marc Ducret und Paul Lovens. Der zelebrierte mit fabelhaften Trommelkünsten die Hohe Kunst des Duos mit dem jungen DJ Illvibe, der mit feinem Humor gegen die filigranen Rhythmen des bald 63-jährigen Free-Jazz-Drummers prickelnde Turntable-Sounds setzte. Eine gelungene Weltpremiere. Marc Ducret dagegen entwarf ganz allein mit seiner E-Gitarre schillernde Klanggemälde von eigenartigem Reiz, die ebenso anspruchsvoll wie emotional bewegend waren.

Welch hübsche Ironie angesichts der Kassenlage der letzte Festival-Act mit dem schönen Namen Das Kapital. Wunderbar, wie entspannt Daniel Erdmann (Tenorsax), Hasse Poulsen (Gitarre) und Edward Perraud (Drums) die famosen Songs von Hanns Eisler von allem Sozialkitsch entschlackten. Ein amüsantes Feuerwerk feiner Melodien, immer wieder ironisch aufgebrochen und dynamisch in neue Dimensionen transformiert. Krönender und mehr als passender Schlusspunkt eines überzeugenden 16. JOE-Festivals: ihre aberwitzige Version der „Internationalen“ quasi als Aufforderung „Jazzer aller Länder, vereinigt euch“. Einen ersten Schritt dazu hat die Jazz Offensive Essen an diesem Wochenende gemacht. Jetzt ist das heimische Publikum in der Pflicht.