Mit wenig Mitteln große Emotionen erzeugen – dieses Kunststück gelingt der Studio-Bühne mit seiner beeindruckenden Adaption von John Steinbecks Novelle „Von Mäusen und Menschen“. Das spielstarke Ensemble lässt schnell vergessen, dass hier ausschließlich Amateure auf der Bühne stehen.
Steinbeck verarbeitete mit seinem 1937 erschienenen Werk nicht nur eigene Erfahrungen, die er in den 1920er Jahren als Wanderarbeiter gesammelt hatte, sondern vor allem schuf er ein Schlüsselwerk des „American Dreams“: In seiner Geschichte ist es der typisch amerikanische Traum vom eigenen Stück Land, der zerplatzt.
Diesen Traum teilen zwei Wanderarbeiter: Den nachdenklichen, cleveren George und den geistig zurückgebliebenen Lennie verbindet eine ungewöhnliche Freundschaft. Lennies Naivität, gepaart mit seiner stellenweise unkontrollierten Körperkraft, bringt das Paar zwar ein ums andere Mal in die Bredouille. Doch auch wenn George darüber sinniert, wie viel besser er ohne Lennie dran wär, bringt er es nicht übers Herz, sich von seinem unbeholfenen Weggefährten, der eine große Schwäche hat für alles was weich und zart ist, zu trennen.
Die Katastrophe trägt Stöckelschuhe
Auch auf einer neuen Farm, in der die beiden Geld für ihren Traum vom eigenen Hof verdienen wollen, wartet neuer Ärger auf sie – hier in Gestalt des Bauernsohns Curley: Der Sprössling des Hausherrn erweist sich als streitsüchtiger Schläger. George schafft es zunächst, sich und seinen gutmütigen Freund von jeglichen Provokationen fernzuhalten. Schützenhilfe erhalten sie auch von der erfahrenen Putzkraft Curley, der sich durch die Träumereien der Neuankömmlinge von einem besseren Leben anstecken lässt, und von dem pragmatischen Vorarbeiter Slim. Doch die unvermeintliche Katastrophe trägt auch in diesem Fall Stöckelschuhe: Curleys Frau Eve fühlt sich von ihrem tyrannischen Gatten vernachlässigt und buhlt um Aufmerksamkeit der neuen Kräfte. Ausgerechnet Lennie zeigt sich fasziniert von der attraktiven Frau...
Termine und Karten
Die Studio-Bühne, Korumhöhe 11, zeigt „Von Mäusen und Menschen“ am 20. und 21. Januar, sowie am 9. und 11. Februar, je 20 Uhr. Die nächste Premiere steht mit der Komödie „Sugar Dollies“ am 28. Januar (20 Uhr) an, weitere Vorstellungen am 29. Januar (18 Uhr), 3. Februar (20 Uhr) und 4. Februar (16 Uhr). Karten: 55 46 01, www.studio-buehne-essen.de.
Die Dramaturgin Sarah Jäger hat aus dem Stoff ein Stück gemacht, das in weiten Teilen den klassisch-naturalistischen Regeln von US-Dramen des 20. Jahrhunderts wie „Tod eines Handlungsreisenden“ oder „Endstation Sehnsucht“ folgt. Warum nicht, beackern sie doch alle auf ihre Weise die Sackgasse namens Amerikanischer Traum.
Regisseurin Kerstin Plewa-Brodam verlässt jedoch diese an Hollywood angelehnte narrative Ebene, indem sie das Stück ins Foyer der Studio-Bühne verlegt und gänzlich auf ein Bühnenbild verzichtet. Auch das Licht ist dezent eingesetzt, nur selten erklingt Musik, in Form von sparsam arrangierten Variationen von „Somewhere Over The Rainbow“. Nur Anke Kortmanns Kostüme schaffen wieder eine bodenständige Einordnung.
So verlässt sich die Inszenierung fast gänzlich auf die Ausstrahlungskraft ihrer Darsteller – und das zurecht: Insbesondere Sebastian Hartmann als Lennie und Thorsten Simon als George bieten ein intensives Spiel, das zu packen weiß. Ein erstklassiges Schauspieler-Debüt geben auch Kalle Spies, der dem vom Leben gebeutelten Curley Eindringlichkeit verleiht, und Sandra Busch als melancholisch-verführerische Eve.
Sie tragen viel zu dem Gelingen einer äußert konzentrierten Arbeit bei, die sich traut, sich ohne großartig intellektuellen Überbau dem emotionalen Kern des Werks direkt anzunähern. So erlebt der Zuschauer ein selten dichtes Drama, das schlicht unter die Haut geht.