Essen-Rüttenscheid. .

Integratives Theater mit behinderten Darstellen ist mehr als ein Sozialprojekt - davon sind die Macher des Inclusiv-Festivals überzeugt, das ab dem kommenden Sonntag zum dritten Mal über die Rü-Bühne geht. „Wir wollen raus aus der Mitleidsecke“, betont Projektleiterin Antje Domeier Braga.

Ein Publikum zu finden, das die Stücke des Festivals nicht mit dem Anspruch besucht, sein soziales Gewissen zu beruhigen, sondern einfach, um ein gutes Stück zu sehen, sei nicht einfach, räumt Domeier Braga ein. So war der Zuspruch beim ersten Festival vor zwei Jahren eher gering. Dies änderte sich im vergangenen Jahr: „Da hatten wir eine Auslastung von 75 Prozent, das war schon sehr zufriedenstellend“, so Domeier Braga.

Schmetterling, Trommelschläge, Mittelalter-Mord

Eigentlich müsste „Inclusiv“ inzwischen „Integratives Kulturfestival“ heißen, denn unter den zehn Aufführungen, die vom 2. bis zum 16. Oktober in dem Theater im Girardet-Haus zu sehen sind, finden sich auch zwei musikalische Darbietungen:

Am Sonntag, 9. Oktober eröffnen integrative Musikgruppen der Essener Folkwang Musikschule zusammen mit Kulturdezernent Andreas Bomheuer das Festival. Am F 14. Oktober, präsentieren „Rendezvous des Tamburs“ aus Essen, Velbert und Solingen „Afrikanische Percussions. Bereits am 2. Oktober, entführt die Lebenshilfe Hattingen mit „Mord auf der Isenburg“ ab 16 Uhr ins Mittelalter. Das Bielefelder Theater Götterspeise gewährt am 9. Oktober um 19.30 Uhr einen Einblick in die „Werkstatt der Schmetterlinge“. „Fabel Haft“ kredenzt das Theater Suppentopf aus Hamm am 15. Oktober um 16 Uhr, um 20 Uhr folgt “Piazza.Husum.Montag“ des Integrativen Theaters Kiel.

„20 Emotionen“ hat die Kölner Opernwerkstatt am Rhein am 16. Oktober ab 16 Uhr in Petto, um 20 Uhr zeigt das Essener Theater PH-Neutral „Hamlet (w)“. Als Zugabe landet am 16. November um 11 Uhr der „Fundevogel“ der Gehörlosengruppe „deaf5“. Karten: 38 46 766,

Dabei kommt der stärkste Zuspruch von integrativen Gruppen. „Wir haben uns in den drei Jahren offenbar schon einen guten Namen gemacht, so dass wir inzwischen auch aus dem überregionalen Raum viele Anfragen von Ensembles bekommen, die bei uns auftreten wollen“, berichtet die Projektleiterin. So reist dieses Mal auch eine integrative Theatergruppe aus Kiel an: Am Samstag, 15. Oktober, zeigt sie um 20 Uhr mit „Piazza.Husum.Montag“ eine Szenencollage voller Begegnungen.

So anders sei die Arbeit mit geistig Behinderten nicht, erläutert Domeier Braga, die zusammen mit der Jugend-Theatergruppe „Die Unglaublichen“ der Essener Heimstatt Engelbert das Projekt „Der ganz alltägliche Wahnsinn“ realisiert hat - am Sonntag, 16. Oktober, ist das Stück ab 11 Uhr zu sehen. „Wir machen die gleichen Theaterübungen wie in anderen Gruppen auch“, sagt Domeier Braga.

Mehr Feingefühl vonnöten

Allerdings benötige man als Theaterpädagoge zuweilen mehr Feingefühl: „Man muss stets schauen, ob man ganz normal die Übungen durchziehen kann, oder ob wegen irgendeines Vorfalls Redebedarf vorherrscht.“ Auf der anderen Seite habe die Arbeit mit geistig Behinderten auch Vorteile: „Sie können sich viel ungehemmter auf der Bühne darstellen“, meint die Theaterpädagogin. „Das kann man sich in der Inszenierung zu Nutze machen.“

Als Beispiel nennt sie die Produktion „Werkstatt der Schmetterlinge“ des Theaters Götterspeise aus Bielefeld: „Dort ist ein Darsteller, der unter spastischen Lähmungen leidet“, erzählt Domeier Braga. „Der Mann hat eine phänomenale Bühnenpräsenz, wie ich sie selten erlebt habe!“

Für Uwe Tillmann, Geschäftsführer der Lebenshilfe Hattingen, ist das Festival ein Stück gelebte Normalität. „Normalerweise müsste es so sein, dass Heim- oder Klinikbewohner sich einfach irgendwelchen Laiengruppen anschließen können“, sagt er. Doch da dies noch nicht der Fall sei, sei es wichtig, dass Theaterpädagogen an solchen Häusern Projekte durchführen. Das Festival gebe zudem die seltene Möglichkeit, auch außerhalb der eigenen Gemeinschaftsräume unter professionellen Bedingungen aufzutreten: Seine Gruppe nutzt diese Gelegenheit am Sonntag, 2. Oktober, mit dem Stück „Mord auf der Isenburg“.