Eine Gruppe Postangestellter schmeißt sich für einen guten Zweck in Strapse und Korsett: Das neue Gastspiel „Ganze Kerle“, das ab Donnerstag, 15. September im Theater im Rathaus zu sehen ist, nimmt Rollenklischees aufs Korn.
Der Chef eines kleinen Paketdiensts hat ein Problem: Seine Tochter liegt nach einem schweren Unfall im Koma. Eine kostspielige Delfintherapie könnte helfen - doch dafür fehlt dem Unternehmer das nötige Kleingeld.
Gut, dass vier seiner Angestellten Herz beweisen - und mitbekommen, dass eine französische Travestieschau momentan außergewöhnlich erfolgreich gastiert. „Was die Franzosen können, können wir auch“, sagen sie sich und beschließen, sich in Frauenfummel zu werfen und einen auf Zarah Leander oder Marlene Dietrich zu machen. Doch nicht nur, dass es sich als äußerst schwierig erweist, auf Stöckelschuhen zu laufen und sogar zu tanzen: Auch das Selbstbild des einen oder anderen Machos gerät beim Einstudieren der Show gehörig ins Wanken.
„Das Stück ist natürlich kein Shakespeare“, räumt Regisseur Matthias Freihof ein. „Aber es ist ein berührendes und zugleich komisches Sozialmärchen.“ Es sei toll zu sehen, zu was Menschen in der Lage sind, wenn sie sich entschlossen hätten, anderen zu helfen.
Filmfreunden fällt bei dieser Geschichte wohl sofort „Ganz oder gar nicht“ ein, in dem eine Truppe arbeitsloser Briten eine Stripshow auf die Beine stellen, um der eigenen Perspektivlosigkeit zu entgehen. Auch für die Bühne wurde dieser Stoff erfolgreich adaptiert. So ist es nur allzu offensichtlich, dass sich die kanadische Autorin Kerry Renard von diesem Vorbild hat inspirieren lassen. Doch Freihof entdeckt einen entscheidenden Unterschied: „Bei ,Ganze Kerle’ handelt es sich um eine Coming-Out-Geschichte, die klassische Rollenklischees hinterfragt.“
Darsteller Lutz Reichert, Fernsehenzuschauern vielleicht noch aus den RTL-Produktionen „Wie bitte?“ und dem Al-Bundy-Klon „Hilfe, meine Familie spinnt!“ bekannt, sieht die Rolle als spannende Aufgabe an: „Sich so intensiv mit dem anderen Geschlecht auseinanderzusetzen, verschafft einen anderen Blick auf die Damenwelt.“
Reicherts Kollege René Hofschneider freut sich vor allem auf die zweite Hälfte des Stücks, die aus der fertigen Travestie-Revue besteht: „Endlich mal verkleiden!“, lacht er, „dafür sind wir doch Schauspieler geworden!“
Für den Zuschauer sei es wohl am spannendsten, im ersten Teil zu erleben, wie die Show entstehe, betont Matthias Freihof. Aber nach der Pause geht die Post ab, verspricht er: „Auch wenn wir die Geschichte durchaus ernst nehmen - der zweite Teil wird ein großer Spaß.“