Essen. .
Vor 20 Jahren übernahm Joachim Landgraf die künstlerische Leitung des Theater im Rathaus. Gordon K. Strahl sprach mit ihm über vergangenen Premierenglanz, gegenwärtigen Zuschauerschwund und künftige Programme.
Herr Landgraf, bevor Sie 1991 das Theater im Rathaus aus den Händen der Theater und Philharmonie übernahmen, haben Sie einen reinen Tourneebetrieb geleitet. Was hat Sie an einem festen Haus gereizt?
Als Tourneeunternehmen hat man die Schwierigkeit, dass die direkte Arbeit für ein festes Publikum fehlt. Mich hat der Anspruch gereizt, sich ein Publikum aufzubauen, das man kennenlernen und pflegen muss.
Essen hatte damals noch nicht gerade den Ruf einer florierenden Kulturstadt. Hatten Sie vom Schwarzwald aus kommend nicht Standortbedenken?
Wir waren in Essen immer vertreten, zum Beispiel mit Ballettproduktionen im Aalto. Daher war ich mit dem Standort schon gut vertraut. Auch der damalige Intendant Hansgünther Heyme kannte mich daher, so dass er wusste, was auf ihn zukommt, als ich mich um die künstlerischen Leitung des Hauses bewarb.
Mit welchem Konzept haben Sie sich damals beworben?
Wir haben von Anfang an unser Gewicht auf Schauspielertheater und Unterhaltung gelegt. Als privates Theater, dass ohne Subventionen leben muss, kann man sich keine großen Experimente leisten, dafür gibt es die öffentlich geförderte Bühnen. Wir sind darauf angewiesen, eine Auslastung von mindestens 90 Prozent zu erzielen. Darunter lohnt es sich nicht mehr.
Hat die Strategie, mit bekannten Namen zu locken, gleich funktioniert?
Sehr gut. In den ersten anderthalb Jahren, angefangen mit „Teures Glück“ mit Inge Meysel, ging es steil nach oben. Namen wie Walter Giller und Nadja Tiller oder Claus Biederstaedt haben von Anfang an für große Begeisterung gesorgt, so das wir praktisch aus dem Stegreif von Null auf 6000 Abonnenten angestiegen sind. Es hat sich sicherlich bewährt, dass wir damals vor allem Produktionen nach Essen geholt haben, die sich an anderen Standorten bewährt haben.
Haben es denn Uraufführungen in Essen schwerer?
Nicht unbedingt. „Weiblich, 45 plus - na und“, das später auch als „Heiße Zeiten“ bekannt wurde“, war anfangs ein Riesenerfolg. Nur als wir das Musical im vergangenen Sommer erneut auf die Bühne holten, war der Zuspruch auf 75 Prozent zurückgegangen. Und das, obwohl eine andere Inszenierung im Hamburger St. Pauli Theater bei 33 Grad Hitze während der Fußball-Weltmeisterschaft ständig ausverkauft war.
Kristallisiert sich dann doch ein Standortnachteil heraus?
Schon. Als Georg Preuße bei uns mit „Cabaret“ auftrat, hat das im Vorfeld kaum jemanden interessiert. Als dieselbe Inszenierung nach Berlin gegangen ist, hat sogar das ZDF darüber berichtet. Da kann man schon mal anfangen zu verzweifeln.
Wie haben sich die Zahlen inzwischen entwickelt?
Auf fünf erfolgreiche Jahre folgten fünf Jahre der Stagnation. Dann fingen die Zahlen an, rückläufig zu werden: Wir haben das immer größer werdende Kulturangebot zu spüren bekommen. Mit dem Colosseum und dann der Philharmonie konkurrierten plötzlich um die 3000 Plätze mehr um die Zuschauer.
Und heute?
Heute liegt die Auslastung bei 80 bis 90 Prozent. Die Situation ist wesentlich schwieriger als damals. Die Zahl der Abonnements ist stark rückläufig, dafür sind die spontanen Kartenkäufe angestiegen. Allerdings ist der Aufwand, ans sprunghafte Publikum zu kommen, ungleich höher, wodurch der Ertrag sinkt.
Wie reagieren Sie?
Man muss weiter versuchen, den Publikumsgeschmack zu treffen. Wir setzen verstärkt auf die Stärke der Region, zum Beispiel mit den in Essen sehr populären Schauspielern Thomas Glup und Martin Lindow. Mit „Ekel Alfred“ haben wir außerdem ein Stück, das fest im Ruhrgebiet verankert ist. Auch die Folkwang-Kooperation setzen wir fort.
Hat die Folkwang-Produktion „High Fidelity“ neues, jüngeres Publikum ins Theater gelockt?
Und wie! Aber keinen, den wir binden können. Das neue Stück „Ein Mann geht durch die Wand“ ist auch durch den Heinz Rühmann-Film bekannt. So hoffen wir, dieses Mal auch unser Stammpublikum für die Produktion zu gewinnen.