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Artisten des GOP bieten Gran-Canaria-Urlaubern eine ungewöhnliche Show in 10 000 Metern Höhe - inklusive Spagat zwischen den Gepäckablagen: staunende Gesichter bei den Passagieren auf dem Linienflug.

Wenn man über Artistik in Schwindel erregender Höhe spricht, dann meint man doch meist Seiltänzer oder Trapezkünstler, die ein paar Meter über den Zirkusboden ihre Kunststücke vollführen. Die Artisten, die für das GOP in über 10 000 Meter Höhe aufstiegen, um zu jonglieren, zu zaubern und sich zu verrenken, können über diese Höhe wohl nur noch schmunzeln. Auf dem Linienflug von Hannover nach Gran Canaria sorgten sie bei den Passagieren für staunende Gesichter.

Schon im Wartebereich des Flughafens Hannover können um 7.30 Uhr morgens einige ihren Augen nicht trauen: Eine junge Dame schlägt ihre Beine über den Kopf und schlüpft durch eine Weise durch einen Hula-Hoop-Reifen, die einfach nicht gesund sein kann. Ein Mann mit überdimensionalem Zylinder holt aus diesem zwar keine Häschen heraus, dafür lässt er einen Frosch sprechen. Dazu gesellen sich ein distinguierter Herr, der in Portier-Uniform Sprüche klopft, und ein für die Uhrzeit viel zu gut aufgelegter Jojo-Spieler.

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Insbesondere bei den kleinen Fluggästen sorgt diese ungewöhnliche Unterhaltungseinlage für staunende Blicke — die Erwachsenen haben dagegen noch Mühe, ihre Augen aufzuhalten. Aber was sollen da die Artisten sagen? „Es weiß schließlich jeder, warum Künstler immer um 7 Uhr aufstehen“, entgegnet Reiner Scharlowsky, der Comedian in Portiers-Uniform, in der er heute auch als Chef-Steward durchgehen könnte. „Um 8 Uhr machen die Geschäfte zu.“

Aber die für Artisten nachtschlafende Zeit ist nicht die einzige Schwierigkeit, mit der sie zu kämpfen haben. Schließlich ist der Mini-Auftritt in der Wartehalle nur das Vorspiel zu dem, was die Passagiere der Boeing 737 nach Gran Canaria erwartet — und da herrschen nicht gerade Idealbedingungen für das kleine Ensemble.

45 Zentimeter langer Mittelgang statt Bühne

Denn der Entertainment-Flug, den GOP und TuiFly als einmaliges Pilot-Projekt lanciert haben, findet in einem normalen Linienflugzeug statt. Das heißt: keine Bühne, stattdessen ein gerade 45 Zentimeter langer Mittelgang, den die Künstler prompt zum Laufsteg umfunktionieren. Wegen der Sicherheitsbestimmungen dürfen sie zudem keine Funkmikrofone verwenden.

Also greift Reiner Scharlowsky anderthalb Stunden nach dem Start zu dem etwas anachronistisch anmutendem Telefonhörer, über den zuweilen auch Stewardessen ihre Ansagen machen. In der knapp 30-minütigen Show spielt er den Conférencier.

Außerdem ist das Flugzeug nicht nur eine enge, sondern auch eine wacklige Angelegenheit. „Proben konnten wir unter diesen Bedingungen natürlich vorher auch nicht“, verrät der achtfache Jojo-Weltmeister Dennis Schleussner. Nicht zuletzt deshalb kommt er bei seiner zweiten Disziplin, die er vorführt, dem Sport Stacking, nicht an seine Bestzeit heran: Denn normalerweise schafft er es in unter neun Sekunden, zwölf Becher in einer bestimmten Reihenfolge zu Pyramiden und wieder zurück zu stapeln — damit hält er auch hier den Weltrekord. Aber 9,6 Sekunden zeugen dennoch von größter Fingerfertigkeit, die die Passagiere mit bewunderndem Applaus honorieren — zumindest die, die zuschauen. Denn nicht jeder will trotz der unangekündigten Live-Unterhaltung auf lieb gewonnene Fluggewohnheiten wie Schlafen, Radio hören oder Zeitung lesen verzichten. Der Großteil lässt sich aber schnell mitreißen.

Etwa von Timothy Trust & Diamond: Das Duo zeigt im Flieger, warum es sich als Vizeweltmeister in der Kategorie „Mental Magic“ bezeichnen darf. Der Mann mit dem großen Zylinder sammelt Gegenstände vom Publikum ein, die Dame mit dem funkelnden Namen bekommt die Augen verbunden und errät die Gegenstände — scheinbar durch Gedankenübertragung. Diese Nummer funktioniert im Flugzeug bestens, wenngleich sich Timothy Trust etwas unterfordert fühlt. „Mir sind komplette Shows auf großen Bühnen lieber.“

„Das war schon aufregend“

Dass große Bühnen auch für Lea Hinz besser geeignet sind, merkt die Kontorsionistin schmerzvoll: Als sie ihre Beine zwischen den Gepäckablagen zum Spagat spreizt, stößt sie mit ihrem Kopf an die Decke des Flugzeugs. Doch die Verbiegekünstlerin ist Profi und setzt ihre Nummer unbeeindruckt fort: „Nichts passiert“ gibt die deutsche Meisterin der rhythmischen anschließend Entwarnung.

Im Laufe des vierstündigen Flugs spielen die Artisten dann noch Animateure: Timothy Trust und Diamond streifen durch die Sitzreihen und zeigen Kartentricks. Dennis Schleussner stapelt auf fixe wie kunstvolle Weise Würfel — bis es heißt: anschnallen, der Flieger setzt zur Landung an.

Von Gran Canaria haben die Artisten nicht viel, das Flugzeug dürfen sie nicht verlassen, was gerade den Nikotinsüchtigen echte Probleme bereitet. Denn nicht einmal Stunden später steigt die Maschine wieder in die Luft und bald darauf die nächste Show in 10 000 Metern Höhe. Neues Publikum, die gleichen Nummern, die jetzt allerdings um einiges geschmeidiger daherkommen — irgendwie war der erste Flug dann doch die Generalprobe.

Schließlich in Hannover gelandet, sind nach einem langen, anstrengenden Tag alle froh, festen Boden unter den Füßen zu haben. „Das war schon aufregend“, resümiert Dennis Schleussner. Und hofft, sich mit der Show in 10 000 Metern Höhe im Guinness-Buch der Rekorde wiederzufinden. Denn als Künstler will man letzen Endes stets hoch hinaus.