Essen. Ex-Dschungelkönigin Désirée Nick ist derzeit in der Rolle der Trash-Diva Florence Foster Jenkins im Theater im Rathaus in Essen zu erleben. Nick schafft es Jenkins Würde zu verleihen und aus ihr eine tiefgründige Träumerin zu machen.

Sie war eine der ersten Trash-Ikonen: In den 1930er und 40er Jahren erlangte die US-Millionenerbin Florence Foster Jenkins mit ihren schiefen Gesangsauftritten einzigartige Berühmtheit. In „Souvenir“ brilliert jetzt im Theater im Rathaus mit Désirée Nick eine nicht minder schräge Diva in der Rolle der Jenkins.

Maßgeschneiderte Rolle

Die war ein Phänomen: Obwohl mit keinerlei Talent gesegnet, sah sie sich selbst als Koloratur-Sopranistin. Regelmäßige Auftritte vor begeisterten Zuschauern im New Yorker Carlton Ritz und zuletzt in der riesigen Carnegie Hall, sowie zahlreiche erfolgreiche Plattenaufnahmen schienen sie in ihrer Wahrnehmung zu bestätigen. Dass man sie nur als schrilles Ereignis hören wollte, so wie viele heute Teilnehmer in Casting-Shows betrachten, schien jenseits ihrer Wahrnehmung zu liegen.

Stephen Temperleys Porträt, oder wie er es selbst nennt „Phantasie“ - denn die Fakten zu Jenkins‘ Biografie sind eigenartigerweise rar - will jedoch weitere Ebenen hinter der puren Schadenfreude aufzeigen. Dafür stellt er der dilettierenden Diva den Pianisten Cosme McMoon zur Seite, der im Stück Jenkins’ gesamte Karriere auf der Bühne begleitet.

Schock und Faszination vermischen sich

McMoon ist anfangs ein junger Barmusiker mit Ambitionen und Depressionen. Als er Jenkins trifft, vermischen sich bei ihm Schock und Faszination: Ersteres über ihr vermeintliches Gesangstalent, letzteres über ihre Art, sich selbst als Grande Dame und größte Sängerin aller Zeiten zu präsentieren. McMoon scheint fasziniert von diesem Selbstbewusstsein – und später überwältigt vom Erfolg. Christoph Schobesberger bildet mit seinem ruhigen Spiel und seiner rauchigen Sinatra-Stimme, mit der er das Stück erweitert, den krassen, aber sinnvollen Gegenpol zur exaltierten „Diva“.

Rolle für Désirée Nick wie maßgeschneidert

Für Désirée Nick scheint diese Rolle wie maßgeschneidert. Mit Trashkult hat die ehemalige Dschungelkönigin sowieso kein Problem. So schafft sie es tatsächlich, der Ikone des schlechten Geschmacks Würde zu verleihen. Denn auch wenn sie die schrägen Töne von Jenkins‘ Gesangsdarbietungen er-schreckend gut trifft, macht sich Nick nie über die Figur lustig, verleiht ihr vielmehr ein sympathisch-greifbares Profil und lässt in eine Seele blicken, für die schöner Schein offensichtlich wichtiger ist als die banale Realität. So wird Schritt für Schritt aus der talentfreien Trash-Ikone eine tiefgründige Träumerin.