Essen. .
Das 15. JOE-Festival im Katakomben-Theater bot aktuellen Jazz in schöner Bandbreite. Dabei kommt das Festival auch ohne große Stars aus. Dennoch hätte man den Veranstaltern mehr Höhepunkte und vor allem mehr Zuhörer gegönnt.
Woran misst sich der Erfolg eines Jazz-Festivals? An spektakulären Auftritten, großen Stars und grandiosen Soli oder an Besucherzahlen? Nimmt man letzteres als Maßstab, dann hätte dem „15. JOE-Festival“, das am Wochenende im Katakomben-Theater über die Bühne ging, zumindest der ein oder andere Star im Programm wohl nicht geschadet.
Denn wenn man eines den Bewohnern der Kulturhauptstadt 2010 nicht vorwerfen kann, dann ist es übermäßige Neugier. Was übrigens in den Kindertagen des von der Jazz Offensive Essen organisierten Festivals mal ganz anders war, als selbst Stehplätze echte Mangelware waren.
Insofern zeugte es schon von einigem Mut, in erster Linie auf bekannte, weil regelmäßig zu hörende Bands der Ruhrmetropole zu setzen und die Lücken mit besseren Geheimtipps aus deutschen Landen aufzufüllen. Wobei es da durchaus Schnittmengen gab, etwa in Gestalt des Essener Pianisten Marc Brenken, der mit Alex Morsey (Bass) und Marcus Rieck (Drums) zum Auftakt des Festivals modernen Mainstream von einigem Unterhaltungswert präsentierte.
Spannendste Bands aus Berlin
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Doch auch Gitarren-Ass Andreas Wahl, der schwäbelnde Ruhrpöttler, gehört in die legendäre Downbeat-Kategorie „Verdient mehr Beachtung“. Was er gewohnt souverän nicht nur mit dem eigenen Dreier „Freie Wahl“ bewies, sondern auch in der famosen Combo „The Bliss“ der Ex-Essener Saxophonistin Katrin Scherer, die zum Jahreswechsel gemeinsam mit ihrem Klarinette spielenden Partner Sven Decker nach Köln umgezogen ist. Was ein bezeichnendes Licht auf die Attraktivität der Region für aufstrebende junge Künstler wirft.
Wen wundert’s da, dass die spannendsten Bands des Festivals aus Berlin kamen? Etwa „Hyperaktive Kid“ mit Drummer Christian Lillinger, der seine Mitspieler — für manche amüsant, für die meisten eher enervierend — klar dominierte. Oder das zeitgemäß zwischen Jazz und Pop oszilierende Quartett „Schneeweiss & Rosenrot“, dessen Schlagwerker Marc Lohr das pointierte Piano der hübschen Johanna Borchert immer wieder elektronisch aufbohrte und so Lucia Cadotschs betörender Stimme einen faszinierenden Klangteppich unterlegte.
Unbändiges Hörvergnügen mit Wollie Kaiser
Den deutschsprachigen Kontrast dazu bot „Schultzing“, die erfreulich feinsinnige Band des aktuellen WDR-Jazzpreisträgers Stefan Schultze am Klavier. Wunderbar, wie filigran und sensibel Stargast Claudio Puntin seine Klarinetten in die ebenso amüsant wie intelligent inszenierten Stücke einbrachte — klar ein Höhepunkt des 15. JOE-Festivals.
Der Sonntag stand dagegen im Zeichen der Altmeister. Erst schockierte Wollie Kaiser die Kenner mit der Nachricht, er gebe nach 20 Jahren seine Lehrtätigkeit an der Folkwang-Hochschule auf. Und dann jagte er ganz allein an Tenorsax, Bass-Flöte und Kontrabass-Klarinette, deren oft wuchtige Sounds er raffiniert elektronisch doppelte, durch “My Own History“. Ein unbändiges Hörvergnügen.
Im Duo mit dem legendären Ex-DDR-Schlagwerker Günter „Baby“ Sommer krönte schließlich der Oberhausener FreeJazz-Pianist Achim Jaroschek verblüffend zartfühlend, ja geradezu romantisch im Tastendonner schwelgend souverän ein Festival, dem man mehr spektakuläre Höhepunkte, vor allem aber mehr Zuhörer gewünscht hätte.