Essen.

Zum Ende des Kulturhauptstadtjahres haben wir einige Essener Höhepunkte unter die Lupe genommen. Was waren die Tops und Flops von Ruhr.2010? Klar ist: Wo viel Licht ist, ist auch Schatten.

Wo viel Licht ist, ist auch Schatten. Wir wollen zum Ausklang des Kulturhauptstadtjahres keinesfalls nur nörgeln. Aber uns ist mal wieder aufgefallen, dass die allermeisten Angelegenheiten – zum Beispiel die Höhepunkte des Essener Kulturhauptstadtjahres – zwei Seiten haben. Mindestens.

Deswegen gibt es an dieser Stelle eine kleine Übersicht von Tops und Flops, und Anspruch auf Vollständigkeit besteht nicht. Darf man den „Day of Song“ an dieser Stelle zum Beispiel weglassen und die A-40-Sperrung „Stillleben“ nur in einem Halbsatz erwähnen? Wir fanden ausnahmsweise mal: Ja. Weil über jene Großprojekte des Kulturhauptstadtjahres, das jetzt zu Ende geht, ja doch schon das meiste gesagt worden ist, nur noch nicht von allen. Aber auch dazu kann man ganz anderer Meinung sein.

Der neue Hauptbahnhof

Der neue Essener Hauptbahnhof hatte in den vergangenen Monaten mit mehreren Schwierigkeiten zu kämpfen. Foto: Ulrich von Born
Der neue Essener Hauptbahnhof hatte in den vergangenen Monaten mit mehreren Schwierigkeiten zu kämpfen. Foto: Ulrich von Born © WAZ FotoPool

Top: Für 60 Millionen Euro ist der Hauptbahnhof nach vielen Jahren Planung, Visionen und leeren Versprechungen endlich renoviert worden. Rechtzeitig zum Beginn des Kulturhauptstadtjahres wurde er eingeweiht – und hätte es die Kulturhauptstadt nicht gegeben, hätten die Essener wohl immer noch einen muffigen, schmuddeligen Bahnhof, für den man sich sehr schämen muss.

Flop: Ganz abgesehen von offensichtlichen Baumängeln (Stichwort Bahnsteig-Belag): Der Bahnhof war, ist und bleibt trotz Fertigstellung eine Dauerbaustelle. Die so genannte „Umfeldgestaltung“ ist bis heute nicht fertig. Die meisten Auswärtigen wurden mit Bauzäunen empfangen. Peinlich!

Ruhr-Atoll auf dem See

35.000 Besucher sahen die Ruhr-Atolle auf dem Baldeneysee, hier ein Bild von der Eröffnung im Mai. Foto: Jakob Studnar
35.000 Besucher sahen die Ruhr-Atolle auf dem Baldeneysee, hier ein Bild von der Eröffnung im Mai. Foto: Jakob Studnar

Top: 35 000 Besucher wollten zwischen Mai und Oktober die Kunst-Inseln im Baldeneysee sehen. Zwölf Tretboote standen bereit. Erstmals konnte auf dem See Tretboot gefahren werden. Ein provisorisch eingerichteter Biergarten auf der Südseite des Sees gab eine Idee davon, was eigentlich alles so fehlt am Baldeneysee, ohne jetzt hier eine Rummel-Meile herbeisehnen zu wollen.

Flop: Der Andrang war so groß, dass Besucher teilweise anderthalb Stunden warten mussten. Viele stellten enttäuscht fest: Vom Ufer aus konnte man so gut wie nichts sehen. Nun ja, und dass es am Ende nur vier Inseln waren und nicht, wie ganz zu Anfang mal geplant, eigentlich zwölf ... Und dann war da noch der unselige Plan der Apfel-Insel.

Essen, das Ziel für Touristen

Beliebt: Die Stadtrundfahrten im blauen Doppeldecker-Bus. Foto: Remo BodoTietz
Beliebt: Die Stadtrundfahrten im blauen Doppeldecker-Bus. Foto: Remo BodoTietz © WAZ FotoPool

Top: Essener Hotels verzeichneten in diesem Jahr etwa 27 Prozent mehr Übernachtungen als sonst. Mit dieser Resonanz haben nur die kühnsten Optimisten gerechnet. Zu den Rennern unter Tagestouristen zählte die neu konzipierte Rundfahrt im blauen Doppeldecker-Bus, der ein offenes Dach hat. Der Anbieter setzt sein Programm 2011 fort, auch dann wird dreimal täglich gefahren.

Flop: Man gönnt dem Münsteraner Bus-Unternehmer, der die Aktion im Mai startete, seinen Erfolg von ganzem Herzen. Fragt sich bloß, wieso erst – bei allem Respekt -- jemand aus Münster herkommen muss, um einen offenkundig erheblichen Bedarf zu decken. Die Busfahrten sind auch bei Essenern überaus beliebt.

Das Museum Folkwang

Großer Wurf: Das neue Museum Folkwang. Foto: Ulrich von Born
Großer Wurf: Das neue Museum Folkwang. Foto: Ulrich von Born © WAZ FotoPool

Top: Das neue Folkwang-Museum, ein Haus von internationalem Rang und über jeden Zweifel erhaben – architektonisch, konzeptionell, künstlerisch. Ende Januar eröffnet, sahen die erste Schau „Das schönste Museum der Welt“ rund 320 000 Gäste.

Flop: Zusätzliches Personal kann die Stadt nicht bezahlen. Berthold Beitz sprang ein, finanzierte vier zusätzliche Stellen für fünf Jahre. Ein anderes städtisches Museum, auch eröffnet in 2010, kommt erst gar nicht auf Betriebstemperatur, weil kein Geld für Leute da ist: das „Haus der Essener Geschichte“ in der früheren Luisenschule. Die neu konzipierte Ausstellung zur Stadtgeschichte wird 2011 eröffnet und nur nach Terminabsprache zu besichtigen sein.

Im Mittelpunkt: Zollverein

Die Revier-Ikone ist zurzeit schneebedeckt und lockte so viele Besucher an, wie nie zuvor. Foto: Sebastian Konopka
Die Revier-Ikone ist zurzeit schneebedeckt und lockte so viele Besucher an, wie nie zuvor. Foto: Sebastian Konopka © WAZ FotoPool

Top: Zollverein – das Weltkulturerbe wollten doppelt so viele Menschen sehen wie im Vorjahr. Zwei Millionen. Allein ein Viertel davon besuchten das neue „Ruhr Museum“ in der früheren Kohlenwäsche. Eröffnung war im Januar. Man darf getrost davon ausgehen, dass 2010 auch für Zollverein einen langfristig wirkenden Schub bewirkt hat. Die gewaltigen Investitionspläne von Scheich Yamani (will 150 Mio Euro verbauen, u. a. für ein Hotel) sprechen eine klare Sprache.

Flop:Viele Gäste bekamen in diesem Jahr keine Führungen. Die waren oft über Wochen und wochenlang im Voraus ausgebucht. Könnte es sein, dass das Weltkulturerbe

Die Aktion Schachtzeichen lockte zahlreiche Menschen an. Foto: Kerstin Kokoska
Die Aktion Schachtzeichen lockte zahlreiche Menschen an. Foto: Kerstin Kokoska

unterschätzt hat, wie groß das weltweite Interesse an ihm ist?

Gelbe Punkte am Himmel

Top: „Schachtzeichen“: Neben der A40-Sperrung eins der schönsten Projekte in 2010. Wo im Mai die gelben Ballons an alte Schacht-Standorte erinnerten, da kamen die Menschen hin, wie magisch angezogen. Viele alte Bergleute. Oder Bürger, die von ihrer Kindheit erzählten, im Schatten der Fördergerüste. Rund 50 Ballons malten gelbe Punkte an den Essener Himmel. Kunst fürs Volk im besten Sinne. Ohne die vielen Freiwilligen wäre das Projekt nie zu stemmen gewesen.

Flop: Mittendrin stand das Projekt auf der Kippe: Im Ruhrgebiet war ein halbes Dutzend Ballons in den Himmel entschwunden. Das rief die Behörden auf den Plan. Hinzu kamen technische Schwierigkeiten: Zu oft mussten die Ballons unten bleiben.