Essen.
Für die Musical-Produktion „Evita“, die im Januar zwei Wochen im Essener Colosseum gastiert, wurde die Eine gesucht: 16 Kinder bewarben sich beim Casting um den begehrten Solo-Part.
Zum Casting eingeladen sind 16 Kinder, beworben hatten sich 60. Ausschließlich Mädchen werden besetzt, nicht größer als 1,40 Meter, im Alter zwischen sieben und elf Jahren. Nun handelt es sich um einen Solo-Gesangs-Part in einem Land mit Schulpflicht. „Also brauchen wir für die zweiwöchige Spielzeit insgesamt fünf bis sechs Sängerinnen, denn die Kinder können ja nicht jeden Abend auf der Bühne stehen“, sagt Dietmar Maier. Er arbeitet für ein Promotion-Team, das bereits in mehreren Evita-Tournee-Städten gecastet hat.
Das Bild dürfte immer ähnlich sein: Kleine Mädchen, die mit ihren Eltern kurze Fragebögen ausfüllen. Angaben zu Lieblingsliedern sind gefragt, zu favorisierten Interpreten. Die Atmosphäre ist entspannt. Schokoriegel liegen aus, schließlich werden keine Models gecastet. Doch so sehr die Betreuer sich bemühen, locker zu wirken – die Situation ist ernst. Eigens aus München, wo das Musical derzeit gastiert, ist der „Dance Captain“ des Ensembles Jonathan Tweedy angereist. „Das Niveau der Produktion ist hoch. Da kann man bei einer Solo-Rolle viel verkehrt machen“, erklärt Maier.
Geburtstagsständchen als Kostprobe
Dann startet das Casting. Pianistin Jing Zhao beginnt mit einer Aufwärmübung. Angestimmt wird für die zehnjährige Noa „Happy Birthday“. Ein wenig verlegen lächelt sie zunächst. Nein, es sei kein Opfer, am Geburtstag zum Casting zu gehen, statt mit den Freunden zu feiern. Noch ist es einer ehrgeizigen Mutter geschuldet. Vielmehr hat das Mädchen Freude am Singen. „Sie hat bereits mit drei Jahren spielerisch in einem Chor begonnen“, sagt Mutter Petra Tönsmann. Nun besucht sie regelmäßig die Folkwang-Musikschule, wo sie in den Musical-Produktionen „Aladin“ und „Tom Sawyer“ mitsang. Dann ist das Geburtstagsständchen verklungen, Lockerungsübungen macht Jing Zhao mit den Kindern, stimmt „Fuchs, Du hast die Gans gestohlen“ an.
Allein aus diesem Chorgesang ließen sich die stimmlichen Qualitäten nicht beurteilten, sagt Jonathan Tweedy, „aber man kann gut sehen, ob ein Kind sehr schüchtern ist, oder ob es ihm Spaß macht, vor Menschen zu singen. Bei uns singen sie schließlich ein Solo vor Publikum.“
Zunächst jedoch müssen alle Kinder den Probenraum des Colosseum Theaters verlassen, werden einzeln aufgerufen, singen das Solo, für das sie im Vorfeld Partitur und Text bekamen. „Santa Evita“, das Lied, das die Kinder für die Hauptdarstellerin der Eva Peron in Essen singen werden, erklingt ein erstes Mal, ein weiteres Mal. Ein Kind nach dem anderen stellt sich der Jury, so entzückend, so glockenhell. Wem will man da schon „Nein“ sagen? Und, mal hochgerechnet. 16 Kinder, 16 Aufführungen – passt!