Essen. .
Vor 100 Jahren bezog die Emschergenossenschaft ihr neues Domizil an der Kronprinzenstraße. Seither residiert man im prächtigen Bau des Archtiekten Wilhelm Kreis. Auch nach den Zerstörungen des Krieges sind Außenbau und Innenausstattung sehenswert.
Die Anfänge der Emschergenossenschaft und damit auch des repräsentativen Verwaltungsgebäudes im schmucken Südviertel liegen buchstäblich im Trüben. Denn als man vor 111 Jahren die Genossenschaft gründete, die seit 1910 an der Kronprinzenstraße residiert, geschah das beinahe in letzter Minute. Die einst idyllische, wenn auch träge fließende Emscher war in nur 40 Jahren zum giftigen Sorgenkind der Industrieregion geworden. Bodensenkungen und Abflussprobleme machten aus der wilden Auenlandschaft einen Seuchenherd für Malaria, Ruhr und Typhus.
Nun legte man die Kompetenzen der Wasserwirtschaft der Emscher und ihrer Nebenflüsse in eine Hand. Die Genossenschaft wurde zum Bindeglied zwischen Kommunen, Industrie und Bergbau mit ihren zum Teil widerstrebenden Interessen. Das ist bis heute so. Und wenn man das vor einigen Jahren begonnene Riesenprojekt des naturnahen Umbaus der gesamten Flusslandschaft betrachtet, das bis 2018 abgeschlossen sein soll, schließt sich der Aufgabenkreis der alten Genossenschaft auf eindrucksvolle Weise.
Bis heute befindet sich die Schaltzentrale der Emschergenossenschaft im prächtigen Bau, den Architekt Wilhelm Kreis von 1908 bis 1910 schuf. Dabei changiert der 1873 Geborene in der Formensprache zwischen dezentem Barock, Klassizismus und einem Hauch Jugendstil, der besonders in der Innenaustattung zu erkennen ist.
Mit barocken Großformen spielte er vor allem im Außenbau, wie er sich bis zum Zweiten Weltkrieg präsentierte. Walmdächer mit kleinen Rundfenstern, Steinputten unter den Fenstern des historischen Sitzungssaales, der wie durch ein Wunder die Bombardierungen überlebte und nicht zuletzt die markante Amphore, der so genannte „Champagnerkühler“, auf dem 37 Meter hohen Turm. Der zählt bis heute den Landmarken des Südviertels. In seinem Materialmix von Natur- und Backstein erinnert das Emscherhaus, wie die Mitarbeiter es kurz nennen, an westfälisch-niederländische Barockbauten. Wenige Jahre vor dem endgültigen Durchbruch der Moderne ging es dem Architekten offenbar eher um dekorative Schönheit als um neue Sachlichkeit.
Traditionelle Optik - modernstes Material
Überraschung im Inneren: Dort greift Kreis zum modernsten Baumaterial seiner Zeit: Beton. Er kaschiert nicht verschämt, sondern zeigt ihn als Sichtbeton direkt im monumentalen Treppenhaus. Säulen, klassizistisch anmutenden Kassettendecken: Statt Stuck herrscht dort Beton. Vielleicht auch eine Reminiszenz an die Region der Schwerindustrie. „Denn immerhin gehörte das Emscherhaus zu den frühen repräsentativen Verwaltungsbauten Essens, das Männer wie der damalige Oberbürgermeister Erich Zweigert zum ,Schreibtisch des Ruhrgebiets’ ausbauten“, so Jochen Stemplewski. Der Chef der Emschergenossenschaft forcierte maßgeblich die von 2006 bis 2008 unter neuesten Gesichtspunkten des Denkmalsschutzes durchgeführte Restaurierung des Hauses.
Die habe bis zur Überarbeitung der Möbel gehört, die Wilhelm Kreis für das Emscherhaus schuf, so Stemplewski. Das größte Augenmerk habe man aber auf die Sichtbarmachung der gegossenen Betonwände gelegt. Beim Wiederaufbau nach 1945 wurde einfach alles übertüncht.
Neben dem Turm hatte vor allem der historische Sitzungssaal die Bombenangriffe überlebt. Dass der wuchtige Kronleuchter sich 1952 aus der Verankerung löste und auf den Tisch stürzte, war wohl die spektakulärste Eruption seit Kriegsende. Seither nippt über dem Jugendstil-Kamin die Relief-Figur der Hygieia des Bildhauers Josef Enseling in aller Ruhe aus ihrer Wasserschale. 2018 ist das vielleicht auch wieder mit Emscherwasser möglich.