Essen.
Antú Romero Nunes inszeniert „Sinn“ von Anja Hilling mit Folkwang-Studierenden. Das Stück feiert am Samstag Premier in der Casa. Wenn der Regisseur eins vermeiden will, dann den krampfhaften Versuch, eine Illusion zu erzeugen.
Die Lüge ist für Antú Romero Nunes das Verwerflichste auf der Theaterbühne, und zugleich ein Umstand, an dem er und seine Schauspieler sich permanent abarbeiten können.
Wenn der Regisseur eins vermeiden will, dann den krampfhaften Versuch, eine Illusion zu erzeugen. Echte Gefühle, wahrhaftes Vergnügen sind sein Ziel. „Die Schauspieler sollen durch Spielfreude bestechen“, sagt Nunes. Diese echte Freude auf der Bühne ist es wohl, die die Kritiker veranlasst, Nunes’ Inszenierungen „Leichtigkeit und Lässigkeit“, „Fluffigkeit und unangestrengte Fröhlichkeit“ zu bescheinigen. Das vermutet zumindest der Regisseur.
Viel beachteter Nachwuchs-Star
Antú Romero Nunes ist 26 Jahre alt. Seine Diplominszenierung von Schillers „Der Geisterseher“, die er im vergangenen Jahr am Berliner Maxim Gorki Theater herausbrachte, ist zum diesjährigen Festival Radikal Jung in München eingeladen. Im Februar zeigte er eine vielbeachtete Uraufführung von Oliver Klucks „Das Prinzip Meese“, ebenfalls im Maxim Gorki Theater. Er arbeitet am Schauspiel Frankfurt und am Hamburger Thalia Theater. In Essen inszeniert der portugiesisch-chilenischstämmige Nachwuchsstar nun Anja Hillings „Sinn“ mit Studierenden der Folkwang Universität. Am Samstag ist Premiere in der Casa.
Die Autorin hat ein Stück in fünf Episoden über fünf Sinne geschrieben. Sie erzählen vom Blindsein, Inhalieren, Röcheln, Ritzen und Zerstechen. Aber vor allem von der Liebe, besser gesagt von ihrer Unmöglichkeit. „Warum können wir die Liebe nicht?“ – um diese Frage geht es für Nunes. Die Jugendlichen kämpfen seiner Ansicht nach alle darum, den perfekten Liebesmoment zu finden. Zum Beispiel Karl und Tommi, die beide in dasselbe Mädchen verliebt sind: in Jasmin, die so schlecht Luft bekommt. Jasmin küsst Jule, im Dönerladen. Jule erspürt eine ganze Welt unter ihrer Haut. Und sie kennt Natascha, die lieber schweigt, weil Stimmen ihr Trommelfell zertrümmern. Anja Hilling hat ein poetisches, extrem sinnliches Stück geschrieben. Nunes versucht, „die Lyrik in Handlung zu bringen“. Versucht, der bilderreichen Sprache eine Perspektive, eine Haltung zu geben. „Sonst könnte man das Stück auch lesen.“
Mit Studierenden zu inszenieren, ist für den Regisseur eine „andere Art der Arbeit“. Die Kooperation zwischen Grillo Theater und Folkwang Uni hat Tradition. Einmal pro Spielzeit können sich die Schauspielschüler auf der großen Bühne ausprobieren. „In puncto Sinnlichkeit“ ist die Arbeit mit den jungen Schauspielern für Nunes ein Gewinn. Er erklärt es so: „Die gehen da richtig drauf.“ Vom Alter her sei es eine Begegnung auf Augenhöhe. Für den 26-Jährigen selbst war die Schule (er studierte Regie an der Hochschule „Ernst Busch“ in Berlin) „ganz schrecklich“. Erst als er beschlossen hatte, da nicht mehr hinzugehen, sondern vor seinem Abschluss schon frei zu arbeiten, habe ihm Theater Spaß gemacht. Als er sich davon befreit hatte, alles anders machen zu wollen als die anderen Regisseure.
Er hofft, dass der Zuschauer aus seinen Inszenierungen mit einer Lust aufs Leben herausgeht. Dass sich die echte Freude auf der Bühne aufs Publikum überträgt. Denn „Lachen öffnet den Weg zum Herzen“, sagt Nunes. Er meint nicht Klamauk, nicht das dumme Lachen. Aber: „Nur wenn die Leute entspannt sind, kann man sie bewegen.“ Und wenn ihnen nichts vorgelogen wird.