Essen.

Mit ihrer neuesten Produktion beweist die Studio-Bühne Mut. Nicht nur, dass sie sich mit der deutschsprachigen Erstaufführung von Bernard-Marie Koltès an ein so unbekanntes wie sperriges Stück gewagt haben. Auch Wolfgang Grubers Inszenierung verlangt dem Zuschauer einiges ab.

Über 31 Jahre wagte sich kein deutscher Regisseur an Koltès’ eindringlicher Auseinandersetzung mit der Liebe. Dabei ist der französischer Autor, der 1989 an Aids verstarb, kein Unbekannter auf hiesigen Bühnen. So gehört „Roberto Zucco“ zu seinen beliebtesten Stücken, auch „Quai West“ macht nicht zuletzt durch Andrea Breths aktueller Inszenierung am Burgtheater Wien von sich Reden. Doch „Der weite Weg“ erschien den deutschen Regisseuren wohl bisher zu beschwerlich.

Kein Wunder, wie die Deutschlandpremiere auf der kleinen Krayer Amateurbühne beweist. Koltès’ Text, der in weiten Teilen auf Variationen des biblischen Hohen Liedes von Salomon basiert, ist durch seinen fragmentarischen Aufbau eher schwierig nachzuvollziehen.

Paarungen auf offener Bühne

Koltès stellt zwei Paare gegenüber: ein älteres Paar, das sich mit dem drohenden Ende ihrer langjährigen Beziehung konfrontiert sieht, und ein jüngeres Paar, das kurz vor seiner Hochzeit gezwungen ist, zu fliehen. Während das frische Liebespaar wegen eines äußeren Umstands, in Grubers Inszenierung offensichtlich eines Krieges, in Gefangenschaft gerät, sind die Fesseln des älteren Paars in der Seele festgezurrt

Regisseur Gruber versteht es, die Hilflosigkeit, Sehnsüchte und Abgründe, die die Figuren sowohl verbinden als auch trennen, für das Publikum spürbar zu machen. Dabei hilft ihm ein Darstellerensemble, das auf professionellem Niveau agiert. Ob Kerstin-Plewa Brodam und Andreas Gruber als sich entfremdendes Paar, das sich an vergangene Gefühle und Floskeln klammert, ohne den Verfall wirklich etwas entgegensetzen zu können, oder Carsten Faseler und Lena Hackmann als Brautleute, deren Liebe in einen kriegsähnlichen Machtkampf mündet: Das Spiel der Vier geht einfach unter die Haut.So ist Andreas Gruber eine Inszenierung gelungen, die gleichermaßen anstrengt und fasziniert. Keine leichte Kost, aber für den, der bereit ist, sich auf anspruchsvolle wie intensive 90 Minuten einzulassen, ein absolut fesselndes Theatererlebnis.