Essen. Er steht wie kaum ein anderer für den Europäischen Film: Ken Loach. Das hat der britische Regisseur am Freitag beim Galaabend zu seinen Ehren in der Essener Lichtburg bewiesen. Der 73-Jährige ließ nicht nur seine Bilder sprechen und zeigte, dass er ein Mann der leisen aber starken Worte ist.

Der Rote Teppich für den Europäischen Film ist im Ruhrgebiet ausgerollt. Und das ist nach Meinung des britischen Filmregisseurs Ken Loach, zu dessen Ehren am Freitag ein Galaabend in der Lichtburg ausgerichtet wurde, auch gut so. Schließlich versinnbildliche die Region wie kaum eine andere seine Filme, in denen die Arbeiterklasse immer die erste Rolle spielt.

Auch die Stimmung vor dem weiträumig abgesperrten Kino fügt sich ins Bild. Die Atmosphäre ist gelöst, von Schischi oder Starallüren keine Spur. Autogrammjäger, die auf die großen Stars aus sind, dürften etwas enttäuscht sein. Denn Namen wie Tomas Alfredson, schwedischer Regisseur, oder Maciej Stuhr, polnischer Schauspieler, dürften nur wirklich versierten Filmliebhabern etwas gesagt haben. Mit Filmemacher Wim Wenders und der Grande Dame des deutschen Kinos, Hannelore Elsner, hatte sich für die Fans am Ende das Warten in der Kälte zwar doch noch gelohnt. Doch am Freitagabend stand eigentlich auch nur eine Person im Fokus des Interesses: Ken Loach. Wie kaum ein anderer steht er für den europäischen Film: eigenwillig, sozialkritisch, ehrlich.

Loach fordert zu neuer oppositioneller Kultur auf

Das wird schnell klar, als er im lockeren Gespräch mit der 3Sat-Kulturzeit-Moderatorin Tina Mendelssohn über seine Berufung als Filmemacher spricht. Die Sozialdemokratie im ursprünglichen Sinne sei tot – nicht nur in seiner Heimat Großbritannien, prangert er an. Im gleichen Atemzug fordert Loach zu einer neuen oppositionellen Kultur auf – es sei an der Zeit, sich aufzulehnen. Das alles sagt der 73-Jährige, der seit 40 Jahren nicht müde wird, soziale Missstände auf der Leinwand anzuprangern, in einem sehr ruhigen Ton. Er fesselt die voll besetzte Lichtburg mit der Kraft seiner Worte – ebenso wie er es im Anschluss mit seinem neuen Film „Looking for Eric“ auf der Leinwand tut.

Die von Loach geforderte Gemeinschaft existiert zumindest an diesem Abend in der Lichtburg. Während die Kellner nicht müde werden, Lachshäppchen und Champagner durch das Foyer zu tragen, herrscht im selbigen ein buntes Stimmenwirrwarr. Tschechisch, italienisch, ungarisch, französisch – in dem altehrwürdigen Kino wird Europa am Freitagabend greifbar. Dieter Gorny, künstlerischer Direktor der Ruhr 2010, ist stolz darauf, den Europäischen Filmpreis ins Ruhrgebiet geholt zu haben: „Das Filmfestival zeigt als Auftakt zur Ruhr 2010 den Aufbruchswillen dieser Region. Und Ken Loach passt – auch wenn wir ja nicht mitbestimmt haben – perfekt hierher. Ebenso wie die Menschen hier zeigt er eine klare Kante“, so Gorny.

Von der Industriemetropole zum Kreativquartier

Unabhängigen Beobachtern ergeht es am Freitag ähnlich: „Es ist schön zu sehen, wie sich das Ruhrgebiet von der Industriemetropole immer mehr in einen Standort für kreative Köpfe verwandelt“, sagt Jürgen Schau, Mitglied der Europäischen Filmakademie aus Berlin. Hannelore Elsner sieht das ähnlich – auch, um mit dem Vorurteil, das Ruhrgebiet sei hässlich, aufzuräumen. „Die Idee, Filmpreis und Kulturhauptstadt hierher zu holen, war großartig“, ist die bayerische Schauspielerin überzeugt.