Essen. Die 257ers werden nicht auftreten, doch zum Klimastreiktag am Freitag, 20. September, soll’s in der Essener City zwölf Stunden Programm geben.
Schreibtische werden verwaist sein und Ladentüren verrammelt, Kirchenglocken sollen um fünf vor zwölf läuten und Schüler ziehen aus den Klassenzimmern in die Innenstadt: In Essen beteiligt sich am Freitag, 20. September, ein buntes Bündnis am globalen Klimastreiktag. Aus den seit Monaten unter dem Label „Fridays for Future“ organisierten Schülerdemos sei eine „Klimaschutzbewegung entstanden, die aus allen Altersgruppen, gesellschaftlichen Schichten und zahlreichen Organisationen Unterstützung erfährt“, frohlockt der Grüne Bundestagsabgeordnete Kai Gehring aus Essen.
Die 15-jährige Pauline Schwindenhammer ist von der ersten Demo an dabei und seit Mai im „Fridays for Future“-Orga-Team. Sie hat an vielen Freitagen demonstriert, gehört also zu jenen Schülern, die sich von Kritikern als notorische Schulschwänzer beschimpft sehen. Tatsächlich hat sie ihre Fehlstunden verantwortlich dosiert: „Wir haben freitags mehrere Hauptfächer. Wenn das die letzten Stunden vor einer Klassenarbeit waren, bin ich nicht demonstrieren gegangen, sondern in den Unterricht.“ Pauline besucht die Gesamtschule Holsterhausen, deren Leiterin Sympathie für die Demos bekundet hat; und so werden am Freitag wohl „mehrere Klassen von unserer Schule kommen“, vermutet die 15-Jährige.
Liedermacher und Wetterexperten treten auf
Angemeldet haben die Veranstalter etwa 600 Teilnehmer, ob die alle zum Start der Demo um zehn Uhr auf den Burgplatz kommen, um wieder einmal vor die Türen des Energiekonzerns RWE zu ziehen, oder ob sie sich über den Tag verteilen, ist völlig offen. Ab 12.30 Uhr jedenfalls verlagert sich der Klimastreiktag auf den Willy-Brandt-Platz, wo bis 22 Uhr ein Bühnenprogramm geboten werden soll; u.a. mit Guido Halbig vom Deutschen Wetterdienst, der Band Relate und den Liedermachern Gerd Schinkel und Hartmut Kerner.
Gescheitert ist dagegen der Auftritt der bundesweit bekannten Hiphop-Band 257ers. Zwar betonen Polizei und Stadt, dass für den Auftritt kein Sicherheitskonzept verlangt worden sei. Doch durch den wiederholten Hinweis, dass die populäre Essener Band leicht 3000 Leute anlocken könne und die Sicherheit dann nicht mehr so leicht zu gewährleisten sei, fühlten sich die Veranstalter unter Druck gesetzt und verzichteten auf die 257ers.
„Da sind uns Steine in den Weg gelegt worden“, sagen die 257ers
Eine Entscheidung, die die Musiker verstehen und doch bedauern: „Leider sind uns da Steine in den Weg gelegt worden“, sagt Mike Rohleder von den 257ers. „Wir finden die Sache super und unterstützen die gern.“ Sie seien zwar selbst nicht die perfekten Klimaschützer, schon weil die Band viel mit dem Auto unterwegs sei, aber auf Inlandsflüge etwa verzichteten sie inzwischen. „Ich finde cool, dass Leute das leben.“ Wer die 257ers hören will, darf sich auf ein neues Album im Oktober freuen, wer sie sehen will, auf eine Tour im nächsten Jahr.
Jene Essener, die Klimaschutz leben, werden am Freitag einen „Markt for Future“ auf dem Willy-Brandt-Platz aufbauen, mit 16 Ständen rund um das Thema Klimaschutz. Nabu, Greenpeace oder BUND sind dann dabei, Unverpackt-Geschäfte, Kleidertauschbörsen oder Radfahrinitiativen. Tatsächlich in den Streik treten werden viele kleine Firmen vom Bioladen bis zur Hundeschule „Sitz, Platz, Steh“, dazu der große Energiedienstleister Ista mit 500 Mitarbeitern.
Die evangelische Kirche schenkt ihren Mitarbeitern zwei Arbeitsstunden
Die Stadt ermöglicht ihren Mitarbeitern eine Teilnahme am Klimastreik-Tag „während der Freizeit und sofern keine dienstlichen Gründe entgegenstehen“. Außerdem gab es einen Aufruf an alle Mitarbeiter, Ideen zu liefern, wo sich die Stadtverwaltung noch klimafreundlicher verhalten könnte: beim Einsatz von Materialien, bei Abläufen etc. „wo wir vorbildlicher sein könnten“, sagt Oberbürgermeister Thomas Kufen. 100 Preise gibt es zu gewinnen, es geht um kreative Ideen, weniger um die Frage, möglichst viele Tonnen CO2 einzusparen. Zu gewinnen gibt es unter anderem Mehrwegbecher und Fahrradsattel-Schoner.
Auch die katholische Kirche unterstütze den Klimastreiktag, sagt Bistums-Sprecher Ulrich Lota: In Absprache mit dem Vorgesetzten dürfe jeder den Arbeitsplatz verlassen: „Das zählt allerdings nicht als Arbeitszeit.“ Noch großzügiger ist der Evangelische Kirchenkreis, der seinen Mitarbeitern zwei Arbeitsstunden schenkt: von halb zehn bis halb zwölf. „Und um 9.30 Uhr laden wir zu einer Andacht zur ,Bewahrung der Schöpfung’ in die Marktkirche“, sagt Sprecher Stefan Koppelmann.
Bei so viel gutem Willen, hofft Christiane Gregor von den „Parents for Future“ auf viel Zulauf. Bisher sei Essen nicht unbedingt ein Hotspot der Klima-Demos gewesen, die Beteiligung mitunter verhalten – außer wenn es zum Beispiel gegen den Energieriesen RWE ging. Dann seien oft auch auswärtige Demonstranten nach Essen gekommen. „Aber im Moment machen viele Essener Firmen ihre Mitarbeiter im Intranet auf den Klimastreiktag aufmerksam, und ich krieg haufenweise Mails.“
Zwölf Stunden Programm zum Thema Klimaschutz
Die Bewegung „Fridays for Future“ hat den 20. September zum Globalen Klimastreiktag ausgerufen: An diesem Freitag wird in Berlin das Klimakabinett tagen, in New York steht der UN-Klimagipfel bevor – und weltweit werden Menschen auf die Straße gehen und für die Einhaltung der Ziele des Pariser Klimaabkommens demonstrieren.
In Essen wollen die „Fridays for Future“-Aktivisten am 20. September von 10 Uhr bis 22 Uhr in der Innenstadt über das Thema Klimaschutz informieren. Um 10 Uhr startet am Burgplatz eine Demonstration, die zur Zentrale des Energiekonzerns RWE zieht. Ab 12.30 Uhr gibt es auf der Bühne auf dem Willy-Brandt-Platz Redebeiträge und Musik. Zudem wird ein „Markt for Future“ mit Infoständen aufgebaut.
Geschäfte, Firmen und Institutionen, die sich an dem Klimastreiktag beteiligen wollen, mailen an: Essen@fridaysforfuture.de