Essen-Werden. . An der Evangelischen Kirche an der Heckstraße führt der Jakobspilgerweg nach Santiago de Compostela vorbei. Pilger Harald Müller ging dort auf Spurensuche.
Die Muschel ist ein christliches Symbol. Sie beherbergt eine Perle – Jesus – und öffnet sich, wenn er aufersteht. „77 Muscheldarstellungen bieten sich dem Betrachter in der Evangelischen Kirche an der Heckstraße: in Fenstern, am Altar, dem Taufbecken und an Bänken – zudem 77 Köpfe von Engeln “ erzählt Harald Müller, Freund und Kenner des Jakobswegs.
Nach der Bewandtnis der gleichen Anzahl der Motive muss noch gefragt werden. Viele Wege führen nach Rom, aber auch nach Santiago de Compostela. Die Hauptstadt von Galicien im Nordwesten der iberischen Halbinsel ist mit seiner Kathedrale – neben der Ewigen Stadt und Jerusalem - eines der bedeutendsten Pilgerziele der Christenheit. Ein Pilgerwegenetz– auf Initiative des Europarates mit Partnern vor Ort neu erforscht - überzieht ganz Europa. Wegekennzeichen sind gelbe Muscheln auf blauem Grund.
Eine regionale Wegstrecke geht über Dortmund-Essen-Aachen. Hinzu kam die Detail-Route Steele-Werden-Kettwig im Kulturhauptstadtjahr 2010. Wer am Stauwehr die Ruhr überquert, trifft auf die Werdener Stationen: Kirche St. Luzius, Ev. Kirche, Ev. Gemeindezentrum Haus Fuhr, Basilika St. Ludgerus, Schatzkammer, Abteigebäude, Kräutergarten.
In der „Herberge armer Lütt“ übernachteten früher müde Pilger. Sie wich später der heutigen Evangelischen Kirche. Harald Müller wanderte die Hauptstrecke nach Santiago mit einem Freund über sieben Wochen in zwei Etappen, insgesamt 900 Kilometer: 1998 von der spanisch-französischen Grenze bis in die Provinzhauptstadt Burgos, Kastilien; ein Jahr später von Burgos aus zum Ziel Tausender Pilger aus aller Welt. „In meinem Leben habe ich einige Berührungspunkte mit der bekannten Pilgerspur gehabt, meist aber unbewusst“ erinnert sich der ehemalige Presbyter: „Erstmals im Kriegsjahr 1944, als ich notwendigerweise mit meiner Mutter von Lingen, meinem Geburtsort, in ein 20 Kilometer entferntes Dorf wandern musste.“ Von 1948 an wohnten sie drei Jahre auf der Kaiserstraße in Kettwig. Verließ Harald das Haus, betrat er den Jakobsweg. Den ist der heute 73-jährige Vermessungsingenieur ungeahnt auch auf einer Baustelle in der Hafen- und Industriestadt Gijon in Asturien gegangen.
Weiteren Pilgern begegnete der Werdener beim Flughafen-Erweiterungsbau in der saudisch-arabischen Stadt Jeddah am Roten Meer. Millionen Muslime fliegen jährlich von dort nach Mekka.
Harald Müller, Mitbegründer und ehemals Leiter der Johanniter-Unfall-Hilfe in Kettwig, bekam die Initialzündung zum Weg nach Santiago beim Familienurlaub an der Rezeption eines spanischen Hotels: Vor ihm stand ein Jakobs-Wanderer mit Rucksack.
Der Stock als Freund und Helfer
„Bei meinem Jakobsweg gehören Karte, Kompass und einen Wanderstock zu meinem Gepäck“, sagt Müller, der auch Spanisch spricht. Der Wappen verzierte 1,70 Meter hohe Rotbuchen-Stab reicht ihm bis zum Kinn. „Mit meinem dritten Bein balanciere und stütze ich mich.“
Geholfen habe er bei einer Begegnung mit einem aggressiven Hund, die zugespitzt unangenehm hätte enden können. „Immer wenn ich den Stock bewegte, ließ er von mir ab.“ Die Jakobsmuschel diente als Trinkgefäß, ihre Zacken als Säge. Jeder erlebt den Jakobsweg anders, erzählt der im SERPAF-Arbeitskreis engagierte Harald Müller: „ Viele beginnen ihn als Touristen, beenden ihn aber als nachdenkliche Pilger.“
Die Strecke von Bochum nach Kettwig hat er abgenommen und zusammen mit Dietmar Rudert vom Bürger- und Heimatpflege-Verein positiv gestaltet. Jakobs-Pilger erhalten einen Stationen-Stempel in ihren Ausweis im Gemeindeamt der Evangelischen Kirchengemeinde und in einem Werdener Reisebüro. 2 300 Kilometer ist Santiago de Compostela von Werden entfernt.