Essen-Kettwig. .

Tag und Nacht hört Alexander Pomytkin die Bombardierungen und Schüsse. Keine 500 Meter von seinem Haus entfernt ist ein militärischer Stützpunkt, der mittlerweile mit Minen gesichert ist. Pomytkin lebt in Slowjansk. Die ukrainische Stadt liegt genau im Verwaltungsbezirk Donezk – dem aktuellen Krisengebiet in der Ukraine.

Die 8. Klasse des Theodor-Heuss-Gymnasiums hatte jetzt die Möglichkeit, mit mehreren Ukrainern über die brisante Lage in ihrer Heimat zu sprechen – via Webcam im Internet. Neben Alexander Pomytkin aus Slowjansk war außerdem noch eine Schulklasse aus Sambir und Tanja Gagan aus Kiew daran beteiligt.

Das Kettwiger Gymnasium ist Europaschule und bietet regelmäßig solche Projekte an. Die Live-Schaltung gehörte zur Europa-Projektwoche am THG. Probleme mit der Sprache gab es nicht, denn Alexander Schyian hat die Gespräche zwischen den Ukrainern und den Kettwigern übersetzt. Er ist Vorsitzender des deutsch-ukrainischen Kulturzentrums in Düsseldorf.

Olgas Familie muss die Ersparnisse des Mädchens anbrechen

Zu Beginn der Übertragung gab es einige Probleme mit dem Ton und der Internet-Verbindung. Besonders der Kontakt nach Slowjansk war schwer herzustellen, da das Internet in dem Krisengebiet schwach ist. Nachdem die Verbindung schließlich hergestellt war, kam Olga zu Wort – sie ist Schülerin und lebt ebenfalls in Slowjansk und hat dort den Konflikt von Beginn an miterlebt: „Als noch Schule war, haben wir immer trainiert, wie wir uns verhalten müssen, wenn etwas Schlimmes passiert – dann mussten wir uns schnell unter die Tische setzen“, erklärte sie. Immer, wenn sie mit Freundinnen zum Spielen das Haus verlässt, muss sie vorsichtig sein. Wegen der vielen Schießereien.

Langsam würden den Menschen in dieser Region außerdem die Nahrungsvorräte ausgehen. Noch vor dem Konflikt hat Olga damit begonnen, Geld zu sparen – mittlerweile müsse ihre Familie aber selbst diese Ersparnisse anbrechen. Nachdem Olga ihren Alltag in Slowjansk beschrieben hatte, kam aus der Klasse am Theodor-Heuss- Gymnasium schließlich die Frage nach dem Alter von Olga – acht Jahre alt ist sie. „Versucht euch mal, da hineinzuversetzen – Olga ist acht Jahre alt!“, sagte Madeleine Werners daraufhin in die Klasse. Werners ist Lehrerin am THG und unterrichtet Französisch und Erdkunde. Außerdem ist sie als Europa-Koordinatorin verantwortlich für solche internationalen Kontakte und Projekte an der Schule.

Die Europawoche findet am THG jedes Jahr für nicht bilinguale Schüler statt. Am Montag hatte das Projekt mit einer allgemeinen Einführung zur Geografie und Geschichte der Ukraine begonnen. Dann konnten die Schüler am Dienstag das erste Mal mit einem Experten sprechen: Rudi Löffelsend war Pressesprecher der Caritas und Auslandsreferent. Am THG hatte er über seine Arbeit in der Ukraine und in anderen osteuropäischen Ländern berichtet.

Bevor es zur Live-Schaltung in die Ukraine ging, bekamen die Gymnasiasten dann noch Informationen über die aktuelle politische Lage in dem Land – einer der Höhepunkte waren dann aber die Gespräche mit den Ukrainern.

Während des Livestreams standen aber auch andere Themen im Mittelpunkt - außerhalb der Krisensituation. Großes Interesse hatten die THG-Schüler unter anderem an der allgemeinen Lebenssituation der Schüler in der Ukraine, und wie der Unterricht bei ihnen stattfindet. Bei der Frage nach etwas Typischem für die Ukraine war ihnen ihre Gastfreundschaft besonders wichtig.

Madeleine Werners: „Die Schüler haben erste Eindrücke erhalten, vor allem aus der Stadt Slowjansk.“ Die Live-Schaltung sei jetzt ein Anfang gewesen – „das THG wird daran arbeiten, eine Partnerschaft mit der Ukraine aufzubauen.“

Gestern Abend um 21 Uhr endete die vereinbarte Waffenruhe in der Ukraine - keine gute Nachricht für Olga und ihre Freundinnen.