Essen-Werden. Sie verteilten keine Luftballons, auch nicht Rosen und Kugelschreiber, leisteten aber bis zum Schluss Überzeugungsarbeit. Und sie drückten seit langem wieder mal die Schulbank, diesmal nicht hinter-, sondern nebeneinander sitzend, auf der Bühne der Aula des Werdener Gymnasiums.

Ihre Hausaufgaben hatten die Bundestagskandidaten des Essener Südens aber gemacht. Gerufen und eingeladen zur Podiumsdiskussion am Donnerstag hatten die Abiturienten Yannick Lubisch, Ideengeber, und die beiden Moderatoren Dina Frassa und Constantin Crüsemann. Zweieinhalb Stunden dauerte die Debatte. Zum Klartext-Reden stellten sich ein die Sozialdemokratin Petra Hinz, die Freidemokratin Petra Hermanns und Cornelia Swillus-Knöchel von den Linken. Matthias Hauer argumentierte für die Christdemokraten. Kai Gehring, der ebenso eine „Vertragsverlängerung“ in Berlin anstrebt wie Petra Hinz, vertrat die Grünen.

Wann gab es das schon mal? Nämlich den Beginn eines Polittalks mit dem 1. Satz der 1. Beethoven-Klaviersonate in f-Moll.

Virtuos am Flügel: Alexander Brzoska, 7. Jahrgangsstufe, stimmte auf das Rededuell ein. Die breite Themenpalette: Bevölkerungsentwicklung, Mietpreise, Mindestlohn, Steuererhöhungen, Euro und Schuldenkrise, Datenschutz und die Situation in Syrien. Mittendrin und nah dran das altersmäßig gemischte Publikum. „Die lebendige Diskussion war aufschlussreich“, urteilte Steffen Borgaes (17), Heisingen, nach Veranstaltungsende: „Sie hat mein Bild über die Parteien vertieft, zeigte die Unterschiede deutlich auf und sensibilisierte mich noch mehr.“

Die politische Lagerzugehörigkeit war leicht erkennbar: die schwarz-gelbe Regierungskoalition gegen die rot-rot-grüne Opposition. Die Übereinstimmung innerhalb der Blöcke war nicht zu überhören. Holzschnittartig eingeteilt votierten die einen für mehr Individualismus und weniger Regelungen, die andere Seite forderte mehr soziale Gerechtigkeit und Gleichheit. „Die Schere zwischen Armen und Reichen öffnet sich immer mehr“, monierte Kai Gehring von den Grünen. Er will, dass die Mietpreise nicht über zehn Prozent des ortsüblichen Mietpreises liegen, „damit die Studenten auch noch ihre Wohnung bezahlen können“. Gegen eine Mietpreisbindung wehrte sich Petra Hermann, FDP: „Wohl könnten die Rahmenbedingungen geändert werden.“ Man solle „Deutschland nicht schlecht reden“, appellierte Matthias Hauer von der CDU: „Wir haben weniger Arbeitslose, Rekord-Steuereinnahmen, betreiben Schuldenabbau.“ Petra Hinz, SPD: „Ich bin für Chancengleichheit vom ersten Tag an, das beginnt schon mit dem Kita-Platz.“ Es gehöre sich auch nicht, „Jung gegen Alt auszuspielen, ich trete auch für eine gerechte Altersvorsorge ein.“.

Sich einsetzen für einen „Mindestlohn von zehn Euro“ will Cornelia Swillus-Knöchel. Die Direktkandidatin der Links-Partei, vorher nicht angekündigt und vermutlich in letzter Minute in den Debattierkreis aufgenommen, war ein Beispiel dafür, dass man in so einem Zirkel nicht nur politische Inhalte, sondern auch Personen wahrnehmen kann. Ihre etwas stiefmütterliche Behandlung nahm sie gelassen hin, obwohl – im Gegensatz zu den anderen Teilnehmern – an ihrer Schulbank kein Namenschild vorhanden war, kein Mineralwasser vor ihr stand und sie in ihrer Redezeit unterrepräsentiert war. Matthias Hauer erbarmte sich und reichte ihr eine Flasche.