Essen-Kettwig. Den Anstoß gab eine Bauvoranfrage. Mit dem Abriss des Restaurants Seeblick auf der Rötsch und dem dort geplanten Bau von elf Wohnheiten mit bestem Blick ins Ruhrtal beschäftigten sich die Bezirksvertreter im Rahmen der Oktobersitzung. CDU-Ratsherr Hanslothar Kranz fand markige Worte - sein Kommentar zum Seeblick-Nachfolger: „Das hätte eine ansprechendere Architektur verdient.“

Ob quadratisch und praktisch immer gut ist, bezweifeln mehr und mehr auch andere Bezirksvertreter. Und sie brachten damit eine Diskussion auf den Weg, in deren Mittelpunkt eine Gestaltungssatzung für den Essener Süden steht. Davon erhofft sich Grünen-Politiker Peter Maas, „dass wir mehr Einfluss nehmen können“. Der öffentliche Raum in Kettwig und Werden sei ein leerer Raum, den man füllen sollte. „Wenn nicht wir, wer dann?“ Die Bürger bekämen meist zwar deutlich gesagt, was gestalterisch nicht gehe, aber was gehe, sage ihnen keiner.

Nachfrage steigt stetig

Die Nachfrage nach Wohnraum im Essener Süden steigt stetig. Einfamilienhäuser weichen Gebäuden für viele Parteien - jede freie Lücke wird schnellstens geschlossen - „und es ist schon erstaunlich, wie viel hier zugepflastert wird. Damit schaffen wird uns auch ein Parkraumproblem.“ Nicht nur Daniel Behmenburg (SPD), sondern auch Michael Nellesen (CDU) sieht Planungen wie auf der Rötsch oder zum Beispiel am Jungbornweg, wo derzeit zwei Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 16 Wohneinheiten gebaut werden, kritisch: „Das wird kein Ruhmesblatt für Kettwig, denn schön sind diese Häuser nicht.“

Der Verwaltung sind jedoch weitgehend die Hände gebunden. Ursache ist Paragraph 34 des Baugesetzbuches. Wenn es keinen rechtsgültigen Bebauungsplan gibt, hat man das Recht, zu bauen, wenn sich die geplanten Gebäude nur in die Umgebung einfügen. Eine schwammige Formulierung, die auf der einen Seite der Kreativität viel Raum lässt, aber auch die Grundlage dafür ist, dass ein Neubau nicht unbedingt dem Charakter eines Ortes entsprechen muss. Auch CDU-Bezirksvertreter Patrick Widmaier bemängelt die Hilflosigkeit der Politik: „Das ist nicht der Wohnraum, den wir schaffen wollen. Es ist ein Besorgnis erregender Trend, so zu bauen. Wir sind einfach machtlos gegen Paragraph 34.“

Ein weiterer Aspekt ist für Bezirksvertreter Frank Roeser auch noch wichtig: „Nirgendwo entsteht Bebauung für Familien mit Kindern. Der Essener Süden wird vergreisen, und wir nicken nur noch ab. Trotz Paragraph 34 hat man Gestaltungsmöglichkeiten - und ich wehre mich einfach gegen diese familienfeindliche Politik.“ Und sein Standpunkt zum Thema „Seeblick“ ist auch eindeutig: „Wieso fügt sich diese Planung in die Umgebung ein? Direkt auf der anderen Straßenseite stehen keine Mehrfamilienhäuser. Ist das wieder eine der vielen Scheußlichkeiten für ein bestimmtes Klientel, dass sich dort einkaufen kann? Gibt es denn keinen Protest der Nachbarn? Überall, wo es solche Stellen, solche Highlights gibt, werden sie verschandelt oder sie verschwinden einfach...“

Der direkte Seeblick-Nachbar ist die MediClin Fachklinik Rhein/Ruhr. Und Geschäftsführer Dirk Schmitz wartet noch immer darauf, dass sich die neuen Besitzer mit ihm in Verbindung setzen. Konkrete Pläne habe er immer noch nicht gesehen. Aber wenn die Politik etwas gegen eine lieblose Bebauung unternehmen könne, stehe er zur Verfügung, sei er auf jeden Fall dabei...