Beim Anziehen seines Mantels lässt sich Wilhelm Küpper helfen. Eine Schulter will nicht mehr so. Ansonsten ist alles, wie es besser kaum sein kann, wenn man 87 Jahre alt ist. Wir gehen ein bisschen durch Kettwig, einmal rund um die Kirche am Markt. Früher war er oft hier. Auch in Werden. Seit 1977 lebt er mit seiner Frau Waltraut in Walsum. Zwischen Duisburg und Dinslaken. Fast am Niederrhein. Da, wo es schön ist.
Schön war es auch dort, wo Wilhelm Küpper aufwuchs. Der Bauernhof seiner Großeltern lag in Schuir. Zwischen Feldern. Über seine ersten 15 Lebensjahre hat er jetzt ein Buch geschrieben. „Alles, was über 80 ist, schreibt Autobiografien“, sagt er und lacht. „Ich habe meine Geschichte in einzelne Episoden aufgeteilt. Den Lesern gefällt das. Glaube ich.“
Das Buch endet im Jahr 1940
Ob sein Buch verkauft wird, ist unwichtig. „Ich habe immer gern geschrieben.“ Und wohl auch schon immer richtig gut. Oft eine ganze Seite bekam er in der satirischen Wochenzeitung „Simplicissimus“ - „und die haben nie etwas korrigiert“. Das war 1957. „Ich habe aus Angst und Wut geschrieben. Der Zweite Weltkrieg war nicht lang vorbei, und die Atombombe war ein großes Thema.“
Das Buch endet weit vorher. Im Jahr 1940. Da ist Wilhelm Küpper in der Hitlerjugend, hat inzwischen „irgendwo zwischen Bredeney und Rüttenscheid gelebt“, dann auch in Haarzopf. In einer direkten und schnörkelosen Sprache schreibt er über diese Zeit. Über seine Jugend. Er ist Chronist, urteilt nicht, stellt nur fest. Und meint heute: „Meine Hypothese ist, dass der Krieg, der dann ausbrach, schnell zur Selbstverständlichkeit wurde. Schlimm waren für uns Zivilisten aber vor allem die Luftangriffe.“
Und der letzte Luftangriff auf Essen zerstörte 1945 das Haus der Familie in der Milkdelle in Haarzopf. Die Familie zog wieder zur Großmutter auf den Bauernhof an der Eststraße. 1952 heiratete Wilhelm Küpper seine Waltraut. Über Umwege gelangte er auch ohne Ausbildung in die Computerbranche. „Rechenautomaten hießen die damals.“ Seine Gedanken gehen wieder ein weites Stück zurück. Er war 18 Jahre, als er eingezogen wurde, geriet in Belgien in Kriegsgefangenschaft, arbeitete zweieinhalb Jahre in einem Bergwerk. „Unser Hauer war Flame. Von ihm haben wir immer Speckbutterbrote bekommen. Wir sind gut behandelt worden...“. Einmal wollte er fliehen - „sie haben mich gekriegt und ich musste vier Wochen in den Bau.“
Sein Leben danach, das in Freiheit und ohne Bomben, genießt Wilhelm Küpper. Acht Kreuzfahrten haben er uns seine Frau unternommen, waren sehr viel in Tirol oder in Ostfriesland. Ob er vielleicht noch einmal nach Schuir möchte? Dorthin, wo beim Hühnerfüttern der Krieg zu ihm kam? Nein. Wilhelm Küpper möchte zurück nach Walsum. Zu Waltraut. Und vielleicht weiterschreiben? Das wäre gut.