Essen-Heisingen. . Noch im September 2011 arbeitete Horst Wohlgemuth als Stauwart am Baldeneysee. Nach der Diagnose Amyotropher Lateralsklerose, kurz ALS, wartet der Rollstuhlfahrer jetzt auf die Einstufung als „außergewöhnlich Gehbehinderter“. Ein Behinderten-Parkausweis bleibt dem 52-Jährigen jedoch verwehrt.

Eine kurze Frage vorweg: Ein Mann, der im Rollstuhl sitzt und ohne Hilfe noch nicht ein mal mehr stehen kann, der ist a) gehbehindert oder b) außergewöhnlich gehbehindert? Antwort „b“ scheint in diesem Fall zutreffend zu sein, glauben Sie? Sollte es eigentlich, aber im Fall von Horst Wohlgemuth ist das anders. Horst Wohlgemuth ist zu 60 Prozent gehbehindert - so steht es zumindest in seinem Ausweis. Fakt ist aber: Er sitzt im Rollstuhl, kann aus eigener Kraft nicht einen Meter mehr laufen und noch nicht ein mal mehr selbstständig stehen.

Auf die nächste Stufe, auf den Eintrag „AG“ („außergewöhnlich gehbehindert“) und 100 Prozent gehbehindert in seinem Behindertenausweis, wartet der 52-Jährige schon seit vielen Wochen. Somit bleibt dem ehemaligen Stauwart, der noch bis September 2011 seinen Job an der Wehranlage am Baldeneysee ausübte, auch ein Behinderten-Parkausweis verwehrt.

Warten auf die nächste Stufe

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Horst Wohlgemuth sitzt seit April im Rollstuhl. Der Heisinger ist an der Amyotropher Lateralsklerose, kurz ALS, erkrankt. Sein Leben könnte vielleicht schon in zwei, drei, vier oder fünf Jahren zu Ende sein. „Genau weiß man das nicht. Bei manchen schreitet die Krankheit langsamer voran, bei anderen schneller“, sagt Wohlgemuth. „Weil man das eben nicht genau weiß, möchte ich die Zeit, die ich noch habe, nutzen und so angenehm wie möglich gestalten.“

Das geht allerdings so lange nicht, wie er und seine Frau Birgit noch auf den Anspruch, einen Behindertenparkplatz nutzen zu können, warten müssen. Ein Kinobesuch, ein paar Stündchen in der Stadt zu verbringen oder einfach mal abends Essen gehen - alle eigentlich ‘normalen’ Aktivitäten sind bislang mit einem immensen Aufwand verbunden. „Meist ist es so, dass ich fahre, mit Warnblinkanlage mitten auf der Straße stehen bleibe, meinen Mann und den Rollstuhl aus dem Auto trage, meinen Mann dann ‘absetze’, und er so lange warten muss, bis ich einen Parkplatz gefunden habe“, schildert Birgit Wohlgemuth die Anstrengungen, die mit Ausflügen jeglicher Art, darunter auch Arztbesuchen, verbunden sind.

Keine Verschlimmerung?

Warum das alles? Weil die Voraussetzungen für „AG“ offensichtlich nicht erfüllt sind. Laut Auskunft des Versorgungsamtes Essen heißt es, dass „AG“ erst dann vorliegt, wenn der Betroffene/die Betroffene einem Doppeloberschenkelamputiertem gleichgestellt ist. Das ist bei Horst Wohlgemuth wohl nicht der Fall; der Antrag auf Verschlimmerung, den das Ehepaar stellte, wurde somit abgelehnt.

„Ich könnte mir meine Beine auch amputieren lassen, das würde bei meinem Zustand keinen Unterschied machen“, so Wohlgemuth etwas sarkastisch, etwas ernst. Birgit Wohlgemuth ergänzt: „Noch nicht einmal zur Begutachtung wurden wir vom Medizinischen Dienst eingeladen - obwohl wir hier in Essen einige Gutachter haben.“

Die Akte Wohlgemuth wurde weitergeleitet an die Bezirksregierung in Münster, die den Fall prüfen wird. Auf Nachfrage unserer Zeitung seien hier jedoch viele Mitarbeiter aus dem zuständigen Dezernat momentan im Urlaub, wie auch der Sachbearbeiter von Horst Wohlgemuth.

Der verantwortliche Sachbearbeiter sei noch bis zum 8. Oktober verreist, teilte man uns mit. Jemand anderes könne den Fall nicht übernehmen, da er nicht über die notwendigen Informationen verfüge. So lange muss sich Horst Wohlgemuth auf jeden Fall noch gedulden - und ob die Bezirksregierung dann ein „AG“ bewilligt, ist ungewiss.