Essen-Werden. Bei der Entwicklung des Projekts „Werden ans Wasser“ taucht in der Bürgerschaft immer wieder die Frage auf: „Warum nicht auch ins Wasser?“ Warum wird das immer noch nicht erlaubt? Generationen von alten Werdenern haben in der Ruhr das Schwimmen gelernt. Wenn nun die Ruhr selbst aus den letzten 200 Jahren ihrer Geschichte erzählen könnte, vielleicht würden dann offene Fragen schnell beantwortet.

Da käme zum Beispiel eine Episode zur Sprache, auf die die Ruhr sich etwas einbilden könnte. Im August des Jahres 1834 hatte der große Komponist Felix Mendelssohn-Bartholdy in Werden einen kleinen Auftrag auszuführen: Er untersuchte eine Orgel. Leider ist nicht genau bekannt, in welcher Kirche. Es könnte sich um die evangelische gehandelt haben, denn deren Orgel hatte 1832 beträchtliche Kosten verursacht.

Ganz apart schön - in der Ruhr

In einem Brief an seine Eltern beschreibt Sohn Felix die Stadt Werden „als allerliebst gelegenen Ort“, wo im Freien Kirschkuchen gegessen wurde. „Dann wurde in der Ruhr gebadet, so kühl und abendlich, dass es eine Wonne war!“, schreibt Mendelssohn-Bartholdy. „Beim Baden in der Ruhr war es ganz apart schön, man kam gleich am Ufer bis an den Hals ins Wasser. Die bewachsenen Berge gegenüber waren hell von der Abendsonne beschienen, als ich hinüber schwamm und ein Mann, der am anderen Ufer still stand und eine Conversation mit mir anfing, fragte, ob ich da wohl Grund hätte und ob Schwimmen wohl schwer sei“.

Hochwasser zerstört Badeanstalt

Zu dieser Zeit lud die Ruhr köstlich zum Bade. 100 Jahre später tat sie dies unbesorgt wieder. Etwa um 1934 lag unterhalb der Villa Wiese eine Badeanstalt im Wasser, als simple Holzkonstruktion in den Strom gesetzt und verankert. Das Ruhrwasser strömte nordwärts hinein und südlich heraus. Wer dort schwimmen lernte, musste gegen den Strom an. Später hat ein schweres Hochwasser diese schöne, so arg geliebte Badeanstalt zertrümmert.

Zwischen dem von der Ruhr begeisterten Mendelssohn-Bartholdy 1834 und den nicht minder ruhrverliebten Werdenern um 1934 ging es dem Fluss sehr schlecht. Die stark gewordene Industrialisierung und der ungeordnete Großzuzug von Menschen bewirkte auch eine Verseuchung der Flüsse. Um die Jahrhundertwende bahnte sich eine Katastrophe an: 1901 brach in Gelsenkirchen eine Typhus-Epidemie aus, die auf Essen übergriff und Werden mit leiden ließ.

Schwere Typhus-Epidemie

Die Archivare der katholischen Gemeinde Werden, Johannes Fischer und Franz-Josef Schmitt, ermittelten aus Dokumentationen: „Die Sterblichkeitsrate in Werden lag von 1895 bis 1905 besonders hoch, erschreckend hoch aber vor allem 1901“. Der damalige Werdener Pfarrer Lambert Gisberts (1883 bis 1911 im Amt) musste, der mündlichen Überlieferung nach, an einem einzigen Tag 37 Opfer beerdigen.

Dass 33 Jahre danach schon wieder in der Ruhr gebadet werden konnte, war in erster Linie einem Mann zu verdanken: Dr. Karl Imhoff, der sich angesichts des Elends schwor: „Die Reinigung des Wassers soll meine Lebensaufgabe sein“. Nach seinem 1910 verfassten „Ruhr-Gutachten“ wurde 1913 von mehreren Initiatoren gemeinsam der Ruhrverband gegründet, dessen erster Geschäftsführer Dr. Karl Imhoff wurde. Weltweit nannte man ihn „Abwasserpapst von Essen“.

Die Amerikaner ehrten ihn „wegen unschätzbarer Beiträge zur Förderung der Weltgesundheit“. In aller Welt wurden Kläranlagen nach Imhoffs Modell gebaut.

Der Ruhrverband, später unter Leitung von Prof. Dr. Klaus Imhoff , reinigte die Ruhr zum „saubersten Industriefluss Europas“. Tradition und Verpflichtung übernahm dann Prof. Dr. Harro Bode. Ein jährlich heraus gegebener Bericht über die Qualität des Ruhrwassers zeugt vom ständigen Bemühen um die angestrebte ideale Ruhr. In Werden weiß man das zu schätzen.

Aber warum darf Werden immer noch nicht ins Wasser? Frohe Kunde nun für alle, die sprungbereit am Ufer stehen: Ruhrverband und das Institut für Wasserforschung Mülheim arbeiten gemeinsam seit Januar an einem Forschungsprojekt, das bis 2014 zu jenem „konkreten Realisierungskonzept“ führen soll, das da im Volksmund heißt: Wir dürfen wieder im Ruhrwasser schwimmen!