Essen-Rüttenscheid. .
Einen „integrativen Stammtisch“ nennt der Werdener Norman Zenz die Runde, die sich monatlich einmal im Bahnhof Süd trifft. „Wir sind unter Freunden, von denen manche mit, manche ohne Behinderung sind, sagt er. Der 40-Jährige ist Lehrer an der fahrbaren Schule für Circuskinder in NRW. „Es ist ein zwangloser Treff. Gäste sind willkommen.“
Der Werdener erzählt: „Wir reden über Gott und die Welt, essen und trinken, vor allem machen wir viel Spaß und Quatsch.“ Auf eines wird allerdings größten Wert gelegt: auf Gleichbehandlung. Denn: Einer ist wie jeder. Jeder wird so behandelt wie der andere. Sie wollen so normal wie möglich sein. „Bloß kein Mitleid“ sagt in aller Entschiedenheit Rollstuhlfahrer Jens Bastek aus Werden.
Der Jens Bastek (43) und Mario Ciarettino (42) leben im Haus für Betreutes Wohnen in der Urbachstraße. Ihre Räume liegen dort nebeneinander. Beide sind mit der S-Bahn zum Bahnhof Süd gekommen. Mario schiebt den Rollstuhl von Jens, egal ob es in Werden oder sonstwo bergauf oder nach unten geht. Bis vor kurzem konnte der schwarzhaarige Jens Bastek noch - wenn auch unter Gehschwierigkeiten - allein in die Behinderten-Werkstatt nach Essen-Frillendorf gehen und fahren.
Das ist nun wegen der fortgeschrittenen spastischen Lähmung nicht mehr möglich. Jetzt wird er morgens um zehn Uhr mit einem Kleintransporter abgeholt. Die beiden Freunde Mario und Jens unternehmen viel gemeinsam, kreuzten schon mit der Aida im Schwarzen Meer und fahren, der eine mit dem Fahrrad, der andere mit dem Elektro-Roller, um den Baldeneysee.
„Die Termine haben mir eine andere Seite der Welt eröffnet“ betont Miriam Zenz, die ihren Mann zusammen mit Sohn Maxim, 10, begleitet. Die Begrüßungen mit den Freunden fallen herzlich aus. Auf die Idee der Gemeinschaftsbildung kamen Norman Zenz und Arne Maiwald. Zenz, der am Behinderten-Referat der Evangelischen Kirche in Essen tätig war, betreute ihn. Weil es ihnen zu langweilig wurde, kamen sie auf den Gedanken, sich mit anderen zu treffen.
Arne Maiwald, begleitet von seinem Intergrations-Helfer Pasquale Uferkamp, hat seine eigene Webseite ins Internet gestellt (www.arnes-seite.de.tl), zudem gehörte er zwölf Jahre dem ISAAC-Vorstand als Co-Referent an. ISAAC ist eine Gesellschaft für Unterstützte Kommunikation. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, Kommunikationsmöglichkeiten für alle zu fördern, die sich nicht oder nicht zufriedenstellend über die Lautsprache mitteilen können. Für diese Vereinigung hat Arne Maiwald als Nutzer und dank eines Sprachchips in seinem Delta Talker auch schon in englischer Sprache vorgetragen. Er kann nicht sprechen, sich nicht bewegen und benötigt Betreuung rund um die Uhr. Den Talker bedient er mit einem Head-Pointer, der an seiner Brille befestigt ist. „Damit steuere ich die Symbole und Buchstaben auf der Tastatur an, die vorn am Rollstuhl befestigt ist.“ Ein Sprechgerät gibt wieder, was er sagen will.
14 Teilnehmer sind im Laufe des Abends gekommen. Gegen 23 Uhr sitzen sie noch zusammen. Für Jens Bastek und Mario Ciarettino wird es Zeit, nach Hause zu kommen. Die letzte S-Bahn nach Werden fährt um Zwölf.