Essen-Werden. .
Einen kurzen Moment der Rührung gönnte sich Sigrid Notthoff. Es blieb ihr auch nichts anderes übrig, denn aus den Händen von Dirk Bonkhoff vom Landesverband der Karnevalisten erhielt sie die höchste Ehrung, die die organisierte Narretei in Deutschland vergeben kann. Den Verdienstorden in Gold mit Brillanten packte die Vorsitzende der 1. Großen KG Völl Freud 1929 sogleich wieder in seine Schatulle. Schließlich hatte die Dame im Harlekin-Kostüm noch zu arbeiten.
Denn eine Gala in Hochzeiten der Session stellt alle Beteiligten vor logistische Herausforderungen. das Essener Stadtprinzenpaar Hans-Dieter I. und Petra III. sowie Stammgast Änne aus Dröpplingsen hatten es pünktlich zum Auftritt geschafft und gemeinsam ein Feuerwerk aus deftigem Humor und akrobatischen Einlagen abgebrannt. Schlechter sah es da um die zwei Lausbuben aus. Das Stimmungs-Duo aus dem Aachener Land lässt auf sich warten. Angespannt wird telefoniert. Heraus kommt: Die beiden wurden zugeparkt beim vorangegangenen Auftritt.
Atemlos stürzen sie herein, schlüpfen in ihre Kostüme, stimmen kurz die Gitarren. Sigrid Notthoff streichelt Manni und Uwe über die schultern. „Na, alles klar?“. 30 Sekunden später stehen die Profis auf der Bühne des Hespertals. Sie schmeißen sich Pointen um die Ohren und niemand kommt auf die Idee, dass sie völlig abgehetzt erst eben eingetroffen sind. Die Lausbuben haben ein großes Herz für Rentner, singen „Wochenend und Sonnenschein und dann mit dir im Altersheim...“ oder erinnern sich an wilde Zeiten, als es für sie vor der Damenwelt kein halten gab. „Ich kriege immer noch Liebesbriefe in drei Sprachen“, prahlt Uwe. Manni hält dagegen: „Ich zahle Alimente in sechs Währungen.“
Zugabe, Rakete, nix wie raus aus den Bühnenklamotten, einpacken und ins Auto. Die KG-Vorsitzende schaut noch einmal nach dem Rechten: „Ihr wart super. Mit dem Honorar hat alles geklappt?“ Statt einer Antwort gibt es eine kurze Umarmung. Manni und Uwe müssen auf die Autobahn. Zum nächsten Auftritt in Duisburg. Oder Düsseldorf?
Im schmalen Gang, den sich Kellner und Künstler teilen müssen und dabei jede Kollision vermeiden, hat längst die „Spätlese“ Aufstellung genommen. Die weibliche Senioren-Band der Völl Freud harrt in Bademänteln ihres großen Moments, während drinnen Sascha Baiers Fanfarenzug mit einem Medley Kölscher Lieder einheizt. Endlich darf die Spätlese herin. Mittendrin Sigrid Notthoff, die beim zweiten Auftritt ein Loblied auf Klosterfrau Melissengeist anstimmt und reimen darf: „Morgens Fango, abends Tango.“ Ihr Orden liegt in seiner Schatulle auf einem Tischchen neben dem Eingang. Man hat schließlich zu arbeiten.