Essen-Werden. Exotisch und doch vertraut stehen sie da: Maria, Josef, das Jesuskind. Aus dunklem Holz sind sie geschnitzt, ihre Gesichtszüge ähneln wohl denen ihrer Schöpfer. Beim Eintritt in die Ludgeri-Altenstiftung erklingt Akkordeon-Musik, schon vor der Tür duftet es nach frischen Reibekuchen. Im ökumenischen Basar der beiden Werdener Kirchengemeinden kann man neben allerlei Handarbeiten und selbst eingekochter Marmelade auch die ungewöhnlichen Krippenfiguren kaufen. Und in ihr Herkunftsland, das ostafrikanische Ruanda, überweisen die Veranstalter dann auch den Erlös.

Im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung leben nirgendwo sonst so viele elternlose Kinder wie in dem kleinen ostafrikanischen Land. 825 000 der elf Millionen Einwohner sind minderjährige Waisen. Das ergab jüngst eine Studie des Kinderhilfswerks Unicef. „Im Bürgerkrieg verloren tausende Kinder ihre Eltern“, weiß Anneliese Kuhlmann, die die Afrika-Hilfe der Werdener Gemeinden koordiniert. „Eine neue Herausforderung entstand durch die Verbreitung von Aids. Ruanda gehört zu den Staaten mit der höchsten Rate an HIV-Infektionen auf der Welt.“

Wenn Eltern sterben, bleiben Kinder in der Regel unversorgt zurück. In Zusammenarbeit mit der Afrika-Stiftung von Johannes Küpperfahrenberg aus Niederwenigern sowie der Caritas des örtlichen Bistums Butare organisieren die Abteistädter seit fünf Jahren Hilfsangebote für so genannte Kinderfamilien. 50 dieser Gruppen existieren derzeit. In ihnen werden heimatlose Jungen und Mädchen zusammengeführt, die bislang völlig auf sich allein gestellt waren. „Deren Elend mag man sich kaum vorstellen“, so die engagierte Christin. Miserabel bezahlte Schwerstarbeit und auch Prostitution gehören zum traurigen Alltag.

Jeweils ein Kind der Gruppe, in den meisten Fällen ist es das älteste, erhält eine vollwertige Berufsausbildung und fungiert als Haushaltsvorstand. „Finanziert werden zudem Schulausbildungen für die jüngeren Geschwister, eine feste Unterkunft, ein Stückchen Land für Ackerbau sowie die Krankenversicherung“, erläutert Küpperfahrenberg.

Bereits seit 1975 unterstützt die Propsteigemeinde St. Ludgerus diverse Projekte in Ruanda. Eine gut funktionierende Mütterschule, die unter anderem Grundlagen von Hygiene und gesunder Ernährung vermittelte, fiel aber wie zahlreiche andere Bildungseinrichtungen den brutalen Wirren des Bürgerkriegs zwischen Hutu und Tutsi zum Opfer. „Marlies Lämmler, die damalige Leiterin der Schule, überlebte nur, weil sie sich zufällig zum Zeitpunkt der schlimmsten Massaker in einem Schweizer Krankenhaus behandeln ließ“, schildert Anneliese Kuhlmann. Auch die Schule wurde beinahe zwangsläufig zu einer Einrichtung für Waisen. Hier fanden Kinder einen Anlaufpunkt. Ihre Betreuung stellen nicht selten Witwen von Bürgerkriegsopfern sicher. Die Versorgung mit Lebensmitteln stellt trotz großer Anstrengungen im projekteigenen landwirtschaftlichen Betrieb die Betreuerinnen Marlies Lämmle und Maria Utler vor riesige Probleme. „Auch hier möchten wir einen Beitrag leisten“, so Anneliese Kuhlmann.