Essen-Kettwig. Ein Großteil der insgesamt 155 Mieter haben die Kündigungen, die ihnen fristgerecht zum 31. August auf den Tisch flatterten, wohl nicht ganz so ernst genommen. Kein Wunder, denn seit vielen Jahren wurde über die Zukunft der ehemaligen Scheidt’schen Hallen zwischen Ringstraße und Stausee diskutiert - und nichts passierte.

Doch jetzt wird’s ernst, denn im Januar rollen die Bagger an. Unwiderruflich. Für Heinz Schnetger, Geschäftsführer der Grundstücksgesellschaft Kettwig (GGK) keine besonders angenehme Situation, denn „derzeit sind verstreut noch gut 70 Mieter vor Ort.“ Die Fristen wurden zwar verlängert - doch am 31. Januar 2012 muss das Gelände komplett geräumt sein. Großmieter Gooran hat bereits auf der anderen Straßenseite ausgebaut und wird nach Beendigung des anstehenden Weihnachtsgeschäftes die Hallen räumen.

Voraussichtlich drei Monate wird der Abbruch dauern, noch einmal sechs Monate sind für die Erschließung des Geländes veranschlagt - „ab Sommer kann dann mit den ersten Baumaßnahmen begonnen werden“, sagt Heinz Schnetger.

Die Freude über den guten Fortgang des Mammut-Projektes ist ihm deutlich anzumerken. Vor acht Jahren gab es die ersten ernsthaften Ideen, doch „damals lag der Schwerpunkt eindeutig auf der Gewerbeentwicklung.“ 2006 erfolgte der Sinneswandel in Richtung Wohnungsbau.

Zwei Drittel zum Leben, ein Drittel zum Arbeiten - und alles schön durchmischt. So hat es sich Heinz Schnetger vorgestellt, und so wird es wohl auch kommen. Dass das Gewerbe nur noch auf 10 000 Quadratmetern ausgewiesen wird, bereitet ihm kein Kopfzerbrechen. „Damit kommt Kettwig wohl eine ganze Weile zurecht.“

In enger Verbindung mit Vertretern der Kreativwirtschaft steht er schon lange. Und aus diesem Bereich sollen die künftigen Mieter auch kommen. Eine „kontinuierliche Bespielung des Geländes“ kann er sich gut vorstellen. Aber bloß keine Schlafstadt, keine Bürowüste. Überholt sei die strikte Trennung und nicht wirklich lebensnah.

Kann sich denn der regionale oder lokale Künstler überhaupt ein Stückchen Kreativquartier leisten? „Es wird natürlich eine Mischkalkulation geben. Wer in dieser Lage sein Büro haben möchte, wird sich das auch etwas kosten lassen.“ Da ein Mehr und dort ein Weniger - auch eine Menge Idealismus wurde ihm und der Eigentümer-Familie Scheidt schon mehrfach „unterstellt“. Geld verdienen ist die eine Seite - aber nicht um jeden Preis. „Für die Stadtentwicklung Kettwigs wird dieses Projekt ein ganz entscheidendes Element sein. Wir setzen auch dadurch ein Zeichen, weil wir alte Bestände entwickeln“, sagt Schnetger. Die Spitze des GGK-Grundstücks, zwischen Ring- und Bachstraße, wird modernisiert. Dort kann sich Schnetger auch mittelfristig die GGK-Verwaltung vorstellen. Bereits 2008 wurde unter Mitarbeit von Statikern eine Machbarkeitsstudie erstellt.

Immer steht er in engem Kontakt mit der Familie Scheidt. „Ihnen ist es enorm wichtig, in Kettwig präsent zu sein. Sie wollten sich nie aus der Verantwortung ziehen, sondern sie sind sich sehr wohl bewusst, dass ihre eigene Historie eng mit Kettwig verbunden war und ist. Die Scheidts wollen in Kettwig ihre Fußabdrücke hinterlassen. So wird zum Beispiel das Verwaltungsgebäude auch als erstes modernisiert.“

Die Art und Weise, wie der Bebauungsplan „Seepromenade“ Ausschüsse, Bezirksvertretung und Rat passiert hat, ist für Heinz Schnetger „ein gutes Signal“. Ein „tiefgehendes und transparentes Vorgehen hat man uns attestiert.“ Dass es einige Anlieger im Bereich der Bachstraße gibt, die mit großer Sorge der Umsetzung der Pläne entgegen sehen und um ihre eigenen Wohnqualität fürchten, hat Heinz Schnetger zu Kenntnis genommen. „Wir haben alle erforderlichen Gutachen vorgelegt, alle Eventualitäten bedacht.“

Doch die GGK konzentriert sich derzeit natürlich nicht ausschließlich auf die „Seepromenade“. „Wir haben viele kleine Flächen und somit auch viele spannende Möglichkeiten. Natürlich werden wir vorrangig dort aktiv, wo schon geltendes Planungsrecht besteht. Wir wollen die vorhandenen Potenziale ausschöpfen“, sagt Schnetger.

So wie an der Güterstraße - „da schwebt uns etwas ganz Feines vor“ - oder auf dem verwilderten Grundstück Ringstraße 68 bis 72. „Die Diskussion um ein Parkhaus an dieser Stelle haben wir noch nicht aufgegeben, aber es böte nur Raum für 120 Plätze, und das ist den meisten Betreibern einfach zu wenig“, weiß Schnetger. Ab 300 Stellplätzen aufwärts würde es sich eigentlich erst rentieren. Eigentlich, denn er hat noch ein Eisen im Feuer, kurzfristig stehen Gespräche an.