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Bevor die großen Musik-Festivals wie „Rock am Ring“ oder „Hurricane“ die Bühnen aufbauen, lockt das Open-Air im Löwental Musikenthusiasten alljährlich ins Freie - und das, ohne Eintritt zu verlangen.
In diesem Jahr ließen sich rund 30 000 Besucher bei strahlendem Sonnenschein von Bands wie „Salty Cheeks“, „Bonaparte“ und „Soulfly“ am Pfingstmontag einladen. Den Veranstaltern gelang nach monatelanger Arbeit ein Event, das erneut die Besucherzahlen steigern konnte.
Das Handy klingelt pausenlos. Gerd Dubiel ist ein viel gefragter Mann an diesem Tag. Es gilt, Künstler zu koordinieren, kleine und große Fragen zu beantworten. Trotz der schon gegen Mittag hohen Temperaturen auf dem Festivalgelände im Löwental bleibt er ruhig. Als Zuständiger für die Jugendkulturarbeit des Essener Jugendamtes, das zum 29. Mal das Festival auf die Beine stellte, weiß er mit den Eventualitäten eines solchen Events umzugehen.
Metalgröße „Soulfly“ ist
der Headliner
Sein Kollege Reza Danaei hat an diesem Pfingstmontag ebenfalls alle Hände voll zu tun. Ihm ist zu verdanken, dass sich die amerikanische Metal-Größe „Soulfly“ als Headliner angekündigt hat. „Es besteht auch immer ein Wettbewerb zwischen den Festivals, da kann es schon mal sein, dass Bands nicht verfügbar sind“, erklärt der für das Booking Verantwortliche im Schatten des Catering-Zelts. „Doch wir konnten uns hinsichtlich der Künstler immer von Jahr zu Jahr steigern“.
Pünktlich um 13.30 Uhr betreten die Essener Indie-Rocker „Salty Cheeks“ als erste Band des Tages die sonnenbestrahlte Bühne. Noch ist die Wiese nicht sehr bevölkert, und so können die ersten Zuschauer unbeschwert tanzen. Zeitig geht es weiter mit „Reefer Madness“.
Die sieben Musiker aus Recklinghausen spielen einen wabernden Mix aus Reggae und Dancehall und bringen die sich nun stetig füllende Wiese im wahren Sinne des Wortes zum Kochen. Mit Titeln wie „Seid laut!“ und „Feuer“ ist die Richtung klar.
Nachlassen gilt nicht, und daher erhöhen die Pop-Punker „Omas Zwerge“ noch einmal das Tempo. Der Sänger ruft der Masse zu, dass sie der Motor seiner Band sei. Die Sanitäter, vertreten mit viel Personal, können zu diesem Zeitpunkt noch entspannt zuschauen. Noch ist der Motor nicht überhitzt, doch erfahrungsgemäß hält nicht jeder die Festivalstrapazen bis zum Schluss durch.
Auf der zweiten, elektronischen Bühne legt zeitgleich der Essener Szene-DJ und Clubbesitzer Kay Shanghai auf und animiert zum Tanzen. Auf der Main-Stage wird es nun ruhiger. Das Trio „Festland“ aus Essen spielt intellektuellen Synthie-Pop.
Hypnotischer Sound
Die knorrigen Tieftöne des Bassisten, gemischt mit Keyboards, Samples und den statischen Beats des Drummers verschmelzen zu einem hypnotischen Sound, der seine eigene Ästhetik entfaltet. Der Sänger singt „...die Welt verbrennt in Liebe“. Schaut man ins Publikum, denkt man eher an verbrannte Haut und Sonnenbrand.
Die nächste Gruppe „Beat! Beat! Beat!“, bringt wieder Bewegung in die Menge. Die Viersener spielen Indie-Pop mit „Shoegaze“-Elementen. Die Musik zeichnet sich durch melodiöse Arrangements und vielfältige Gitarrensounds aus. Anschließend widerlegt ein Mann mit dem ungewöhnlichen Namen „ Gisbert zu Knyphausen“ das Vorurteil, alle Singer-Songwriter seien leise. Musik von einem aufstrebenden Hamburger Künstler, der sich entschuldigt, an so einem schönen Tag über Melancholie zu singen. Lebensfragen und Emotionen haben in seinen deutschen Texten Platz, getragen von seiner talentierten und sympathischen Band.
Es ziehen ein paar Wolken auf, die Schatten spenden, aber entgegen aller Befürchtung nicht die Schleusen öffnen. Abkühlung tut gut, und bevor jemand den Blues bekommt ,kontern die Schweden „Fiska Viljor“ mit ihrem Folk-Rock. Mehrstimmiger Falsett-Gesang von fünf schick gekleideten Bärtigen, die es schaffen, z.B. einen „Song über Panik“ luftig leicht und beschwingt klingen zu lassen.
Abwechslung ist den Veranstaltern wichtig, und so stürmen „Bonaparte“ aus Berlin die Bühne. Zirkus trifft auf Boheme, Hedonismus auf Extravaganz, Punk auf Burlesque. Der korpulente Schlagzeuger entblößt seinen Bauch, die drei Tänzerinnen machen es ihm nach. Kunstblut, Rabenkostüme, Provokation - sofern diese heute noch möglich scheint - und Akrobatik. „Anti, Anti“ schreien Band und Publikum. Kurzzeitig werden die Männer der Sicherheitsfirma unruhig.
Ein Wellenbrecher ist unter der Last der angepeitschten Masse gebrochen, schnell wird dieser notdürftig wieder stabilisiert. Nachdem Federn, Masken und Glitzerdinge von der Bühne geräumt sind, geben „Callejon“ aus dem Rheinland mit Metalcore die Richtung für den restlichen Abend vor. Schnell ist die Musik, der Sänger schreit sein Bestes.
Nach einer Stunde ist
der Sturm vorbei
Nach kurzer Umbaupause ertönt ein episches Intro, „Soulfly“ erklimmen die Bühne. Die amerikanische Ethno-Thrash-Metal-Truppe mit brasilianischen Wurzeln spielt ein straffes Set. Kollektives Trommeln und ein Gastauftritt des Frontmanns Zögling am Schlagzeug sind Teil der Show. Nach einer Stunde ist der Sturm vorbei. Alle sind zufrieden. Die Menschenmasse bewegt sich in Richtung Ausgang, Polizei und Veranstalter schätzen auf den Neurekord von 30.000 Zuschauern. Die Organisatoren können verschnaufen. 2011 wird das Festival 30 Jahre alt sein. Booker Reza Danaei verspricht Überraschungen. Hat dieses Jahr ja auch geklappt.