Auf der Höhe.

Sacht klopft der Kettwiger Dirk Hinrich Otto gegen einen Kasten in seinem Garten. Vieltausendköpfiges Leben steckt drin. In diesen Tagen werden die Völker endlich wieder ausschwärmen und Bestäubungsdienste leisten.

Otto bezeichnet sich als Bienenpfleger. Man könnte ihn auch Bannerträger nennen, schließlich engagiert sich der Physiotherapeut für das Projekt „2010 Königinnen für das Ruhrgebiet“, einer Initiative von Naturschützern, die erinnert, dass ohne Immen kein Apfel am Baum hinge.

„Bienen bestäuben gut 70 Prozent aller Nutzpflanzen“, weiß der Kettwiger. Ohne sie wäre Landwirtschaft unmöglich. Von der Gentechnik einmal abgesehen.

Auf Ertrag ist Otto nicht aus. Seine Haltungsweise trägt das Etikett „naturnah“. Anders als Imker lassen Bienenpfleger den Vermehrungstrieb der Insekten zu. Die Königin teilt ihr Volk, die Hälfte aller Individuen folgt ihr. Zuvor hat sie ein befruchtetes Ei in eine so genannte Weiselzelle gelegt. Die Arbeiterinnen ernähren die Larve 19 Tage lang mit Gelée Royale, einem speziellen Futtersaft. Einzig dieser Vorgang lässt das Tier geschlechtsreif und so zur Königin werden. In einem „rauschhaften Zustand“, so beschreibt es Otto, schwärmt die Hälfte des Staats aus und lässt sich in einer Traube zumeist an einem Baum nieder. Nun schlägt die Stunde des Bienenpflegers. Sobald Ruhe in dem wuseligen Haufen eingekehrt ist, fängt er die Königin ein und setzt sie in einen Kasten. Blitzschnell folgen alle anderen Insekten.

Das kann doch ohne zerstochenen Leib nicht funktionieren! Otto winkt ab. „Ich mache das seit 14 Jahren. Nie ist etwas passiert.“ Er verzichtet komplett auf Schutzkleidung. Anfängern empfiehlt er aber, ihr Gesicht mit einem Schleier zu schützen. Mit der Besiedelung des Kastens, in dem die Bienen Holzrahmen für den Wabenbau vorfinden, sind die Tiere neu programmiert. „Selbst wenn man ihre neue Behausung direkt neben die alte stellt, würden sie sich nie im Eingang irren“, weiß Otto.

Bis zu 40.000 Insekten zählt das neue Volk, das Honigerträge bis zu 25 Kilo ersammelt. Wem die Ernte zu mühsam ist,der belässt den Honig einfach in der Wabe. In dem Fall würde man sich allerdings eines ganz besonderen Genusses berauben.

Der Artenreichtum in Städten sorgt nämlich für besonders wertvolle Honige. Das Ruhrgebiet stellt also einen idealen Lebensraum für die Nützlinge dar.

Etwa 30 Ruhris tun es Otto zurzeit gleich. Er träumt von schwarz-gelben Schwärmen an jeder Ecke. Und meint damit nicht die Anhänger der Dortmunder Borussia.

„Der Aufwand hält sich Grenzen“, verspricht der Kettwiger. „Zwischen Mitte Mai und Mitte Juni schaue ich sonntags nach dem Rechten.“ Ansonsten überlässt er die Insekten sich selbst. Naturnahe Haltung, von der man gern schwärmt.