Essen-Kettwig. Lederwaren Rottmann schließt nach 60 Jahren das Geschäft an der Corneliusstraße in Kettwig. Die Inhaberin blickt auf ein bewegtes Geschäftsleben.
Eine Ära geht in Kettwig zu Ende. Irmgard Rottmann geht nach mehr als fünf Jahrzehnten hinter der Verkaufstheke in den Ruhestand und schließt ihr Lederwarengeschäft an der Corneliusstraße. Einen Nachfolger gibt es nicht, die Kinder gehen andere Wege.
Die alte Dame blickt zurück auf ein erfülltes Berufsleben mit vielen Entwicklungen und Ereignissen. Eines steht für sie fest: „Damals, als ich anfing, wurde man als Kunde noch bedient, das war eine Selbstverständlichkeit und für mich ist das auch heute noch so. Von morgen bis abends habe ich hier im Laden gestanden und bin dabei bodenständig geblieben.“
Service habe immer an erster Stelle gestanden und der Kunde war König: „Da wurde ein Koffer auch mal sonntags repariert, wenn das nötig war“, berichtet die heute 82-Jährige. Und so kam die treue Kundschaft damals aus der ganzen Umgebung rund um Ratingen, Essen und Mülheim an der Ruhr.
Einzelhandel in Kettwig stirbt immer mehr aus
Und heute? Sie zuckt die Schultern. „Fachgeschäfte wie meines gibt es doch kaum noch. Der Einzelhandel stirbt aus, auch hier in Kettwig.“ Kein Wunder, meint sie, dass sich kein adäquater Nachfolger finden lässt. Und an „irgendein Wettbüro“ möchte sie die Räumlichkeiten der jeweils 161 und 60 Quadratmeter großen Immobilie ungern vermieten.
Doch zurück zu den Anfängen. Eine spannende und rasante Zeit sei das damals gewesen. Mit Gardinen, Teppichböden, Dekoration und Belägen wurden große Firmen und kleine Endkunden versorgt. Sehr viele Muster hatten die Geschäftsleute zur Auswahl, dann wurden die Rollen bestellt und in den beiden Werkstätten vor Ort zugeschnitten.
Große und bekannte Namen zählten zu den Auftraggebern. Die Familie des Textilfabrikanten Scheidt etwa. „Dort dekorierten wir die ganze Villa und verlegten die Böden. Es war ein fast freundschaftliches Verhältnis und wir genossen das höchste Vertrauen“, berichtet Irmgard Rottmann stolz. Ebenso mit Böden ausgestattet wurde die Druckerei des Axel-Springer-Verlags im Teelbruch.
Sessel für die Firma Krupp gepolstert
Eine große Herausforderung sei die Polsterung von 60 Sesseln für die Friedrich Krupp AG gewesen – ein Spezialauftrag, der pünktlich fertig werden musste, da die Ware direkt in ein Werk nach Pakistan verschickt wurde.
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„Wir haben insgesamt viel geschuftet. So lange, bis die Arbeit fertig war“ , sagt die Geschäftsfrau und zeigt als Beweis ihre Hände. Denn auch die Reinigung von Gardinen für die Ruhrlandklinik gehörte zum Service.
Seniorin freut sich auf Ruhestand in der Gartenstadt
Als ihr Gatte Willi vor 16 Jahren verstarb, verkleinerte sich die Inhaberin Stück für Stück, das zweite Geschäft neben dem Stammhaus in der Corneliusstraße 22 wurde geschlossen und steht seitdem leer. „Das ist mir nicht leicht gefallen, es musste aber damals so sein.“ Und so konzentrierte sie sich auf die Lederwaren, die es allerdings immer schon gegeben hat.
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Nun freut sich die in Mülheim-Speldorf geborene Seniorin auf den Ruhestand in der Gartenstadt, denn zu den Kettwigern habe sie ja immer schon einen guten Draht gehabt, allein schon aufgrund der Tatsache, dass ihr Mann ein echtes Kettwiger Urgestein gewesen sei.
Wer dem Geschäft noch einen Besuch abstatten möchte, hat dazu noch Gelegenheit bis Anfang Juli.
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