essen-werden. . Ungewöhnliches Werdener Projekt: 115 Schüler und 87 Erwachsene schreiben über ihr Lieblings-Kinderbuch. Von der Fee Amaryllis bis zum Immenhof.

Der „Werdener Kanon der Kinderliteratur“ ist da. Das neueste Bücher-Kind der Edition Schmitz ist geboren und wird mit Sektempfang begrüßt. Thomas Schmitz gibt zu: „Was habe ich mit Kasperl und Seppel mitgefiebert. Heimlich verliebt war ich in die Fee Amaryllis.“

Den Räuber Hotzenplotz lieben die Generationen. Doch was bewegte den Buchhändler, nach dem „Werdener Kanon der Literatur“ nun ein Pendant mit Kinderliteratur herauszugeben? „Es macht mir eine ungeheure Freude, mir all die vielen Bücher ins Gedächtnis zu rufen, die mich eine Kindheit lang begleitet haben. Oft genug ist es ja so, dass sie auch Trigger für tiefer liegende Erinnerungen sind.“

In versteckten Ecken des Herzens forschen

Thomas Schmitz hat den Werdener Kanon der Kinderbuchliteratur veröffentlicht.
Thomas Schmitz hat den Werdener Kanon der Kinderbuchliteratur veröffentlicht. © Gesa Kortekamp

Genau diese Triggerpunkte hatte Schmitz zielgenau getroffen mit der Einladung an seine Kunden: „Haben Sie Lust, in den hintersten Winkeln Ihres Gehirns und in den versteckten Ecken Ihres Herzens zu forschen? Möchten Sie uns Ihre Erfahrungen in einem kleinen Text mitteilen?“ Das ließen sich die Freunde des Lesens nicht zweimal sagen, hockten sich hin und schrieben auf, was sie bewegt hatte in jungen Jahren.

Aber auch die Kinder von heute kommen zu Wort. 115 Schüler haben ihre zwangsläufig noch „frischen“ Erlebnisse mit dem Medium Buch aufgeschrieben. Beide Gymnasien nahmen die Schreibidee zum Anlass, mit Sechstklässlern ein Literaturprojekt umzusetzen. Was sofort auffällt entgegen gängiger Vorurteile der Erwachsenen: auch Kinder lesen. Da fiel Thomas Schmitz ein Stein vom Herzen: „Experiment geglückt. Ich persönlich habe ja immer dran geglaubt.“

„Mein Lotta-Leben“ ist der Spitzenreiter

Absoluter Spitzenreiter an Nennungen sind die Bücher der Reihe „Mein Lotta-Leben“. Hier hat Daniela Pantermüller die Erlebnisse der zehnjährigen Lotta Petermann niedergeschrieben und Daniela Kohl dazu illustriert. Wie Schülerin Jule Leuken schreibt: „Ich kann dieses Buch allen weiterempfehlen, die schräge Geschichten mögen.“

Besondere Geschichten haben auch die Erwachsenen ausgesucht, als sie im Geiste zurück segelten. Gerne gelesen wurde früher Astrid Lindgren, auch Enid Blyton wird oft gewürdigt. Da waren die Fahrten im Schienenbus, die Verleger Ludger Claßen so genoss: „Meine Lieblingsunternehmung mit dem Opa. Die Fahrt ging den Baldeneysee entlang über Heisingen bis Kupferdreh.“ Auf dem Rückweg wurde noch eine Überfahrt mit der Fähre eingestreut. Claßen stellt das Buch „Die kleine Lok“ von Graham Greene vor: „Ich konnte das Buch auswendig und habe so lesen gelernt. Als ich in die Schule sollte, war ich dem Schularzt eigentlich noch zu klein. Da ich aber lesen konnte, wurde ich doch schon genommen.“

Leseerfahrungen in den Texten mitteilen

Heike Jütting war ein wenig erschrocken, als Schmitz bei ihr anklopfte: „Da habe ich mein Lieblingsbuch von Dick und Dalli und den Ponys mit in den Urlaub genommen und es vorsichtshalber nochmal gelesen.“ Die Handlung des Films „Die Mädels vom Immenhof“ beruht auf diesem von Ursula Bruns geschriebenen Jugendroman: „Auch mein Leben drehte sich um Pferde.“

Bei Wilhelm Busch landete Klaus Strehlau: „Mein erster Kontakt mit Büchern. Ein Vertreter hatte meinen Eltern ein Abo vom Bertelsmann Lesering aufgeschwatzt. Da war auch die dicke Gesamtausgabe der Werke von Busch dabei. Ich habe mich schlappgelacht über die Reime. Kurz drauf hatte ich einen Leseausweis für die Bücherei. Die zeitlose Ironie und Satire der Reime habe ich erst viel später erkannt.“

Gnom lernt die Welt der Maschinen kennen

Conrad Schlimm brachte sogar seinen Originalband von „Weltreise und Abenteuer des Gnomen Hupfindiehöh“ mit. Der Gnom verlässt den Wald und lernt die Welt der Maschinen kennen. Das habe Schlimm beschäftigt als Kind: „Ich war sechs Jahre alt, als mir hier in Werden amerikanische Panzer begegneten und die schwarzen Soldaten mir einen Schokoladenkeks schenkten.“

>> 202 BUCHEMPFEHLUNGEN UND EIN BESONDERER DREH

  • Der „Werdener Kanon der Kinderliteratur“ hat einen besonderen Dreh: er ist ein Wendebuch. Der geneigte Leser kann sich also aussuchen, ob er zunächst liest, was die 87 Erwachsenen auf 100 Seiten niedergeschrieben haben. Oder ob er doch mit den 116 Seiten der Kinderabteilung anfängt. Dafür müsste man den Doppelband einfach nur umdrehen.
  • Er kostet 16,90 Euro und ist in den Werdener Buchhandlungen schmitz.buch und schmitzjunior sowie auch online verfügbar.