Essen-Werden. . Die Werdener Sangesfreunde lassen ihren 90-jährigen Ehrenchorleiter Werner Lortz hochleben. Der älteste aktive Chorsänger hat viel zu erzählen.
Die Domstuben scheinen zu vibrieren, so durchdringend schallt der Gesang. Als die sonoren Stimmen ein kräftiges „Hoch soll er leben“ anstimmen, steht er ganz gerührt da. Doch der kürzlich 90 Jahre jung gewordene Werner Lortz wäre nicht er selbst, wenn da jetzt nichts Spitzfindiges und zugleich Humorvolles käme: „Mit dem hoch nach oben wollen wir noch warten. Ich möchte noch ein Weilchen auf der Erde bleiben.“
Jubilar plaudert über Privates
Der Ehrenchorleiter der Werdener Sangesfreunde ist bestens aufgelegt, verzieht keine Miene: „Es hat mir Freude gemacht, dass ich in diesem Chor sein durfte. Das war ja nicht selbstverständlich, ich war ja Laie. Doch irgendwie hat es geklappt.“ Er gibt sich bescheiden, obwohl jeder weiß, dass hier Großes entstand, ist sein Verdienst.
Lortz ist jetzt in Fahrt gekommen, berichtet über seine Liaison mit dem Töchterchen aus dem Hause Füth: „Da kamen die Juliane und die Liebe. Wir haben dann geheiratet, kriegten aber keine Kinder. Ich war ja Laie…“ Schallendes Gelächter der Sangesfreunde.
Vierhändig mit der Gattin
Der Werner und seine Juliane. Kürzlich konnten die beiden Diamantene Hochzeit feiern. Bis dahin war es ein langer und anfangs auch steiniger Weg. Denn ihre Eltern hatten sich einen anderen Schwiegersohn ausgeguckt. Aber Juliane wollte nur den Einen: ihren stattlichen Polizisten.
Fast hätte sie ihn verloren, als er bei einer Drogenrazzia von einem holländischen Großdealer in den Bauch geschossen wurde. Anfang der 70er Jahre war das. Lortz überlebte, ging Ende 1987 in Pension. Kennengelernt haben sich die Nachbarskinder früh, hatten auch beim gleichen Lehrer Klavierunterricht, spielten beim „Tag der Hausmusik“ vierhändig. Das ist zwar fast 80 Jahre her, klappt aber beim Chortreffen in den Domstuben immer noch.
Als Überraschungsgast singt Bariton Jehak Jung
Als Überraschungsgast begeistert an diesem Abend Bariton Jehak Jung mit Schubert und Mozart. Vereinsvorsitzender Manfred Vogt hat außerdem zur Melodie der „Ode an die Freude“ ein Lied auf den Werner gedichtet: „Wir sind stolz auf uns’ren Meister, der gekonnt uns dirigiert, denn er hat zu großem Anseh’n unsre Sängerschar geführt.“ Das stimmt. Als er nach einem Auftritt zu einem Bierchen eingeladen wurde, hätte ihm eigentlich was schwanen müssen. Lehrer Paul Beckmann war am Gymnasium stark eingespannt, ihm fehlte die Zeit: „Werner, Du musst das machen.“ Seine Reaktion fiel gewohnt ehrlich-deftig aus: „Seid ihr denn bescheuert? Ich will singen, nicht da vorne rumhampeln. Dann habe ich aber doch Ja gesagt.“
Im Benediktsaal wird geprobt, immer montags, Werner Lortz sitzt im zweiten Bass. Da werden volksnahe, kirchliche, durchaus anspruchsvolle Lieder einstudiert. Nach all‘ den lobenden Worten und Geschenken möchte Lortz etwas zurückgeben und wendet sich an seinen Nachfolger Norbert Bunse: „Suche doch bitte ein neues Lied aus. Ein schönes Stück. Ein ernstes. Was Solides. Nicht so tralala. Wenn du dir die Notenblätter schicken lässt, komme ich für die Finanzen auf.“ Dann gibt der älteste noch aktive Werdener Sangesfreund seinen Mitstreitern noch auf den Weg: „Bleibt weiter im Chor und hört mal, ob nicht noch ein paar Männer aus eurer Nachbarschaft mitsingen wollen.“
>> Inzwischen der größte Männerchor in Essen
Werner Lortz war von 1957 bis 1993 Dirigent des Pfarrorchesters, wollte aber auch singen. Sein Freund Manfred Vogt brachte ihn zu den „Choralikern“ unter der Leitung von Paul Beckmann.
Als er 1988 den Chor übernahm, konnte die erste Probe mit 20 Mann noch in seinem Wohnzimmer an der Propsteistraße stattfinden. Lortz stand den Sangesfreunden bis 2008 vor, bis dahin wuchsen sie mit über 100 Mitgliedern zum größten Männerchor in Essen.