Essen-Fischlaken / Niederberg. . 20 Jahre hielt ein Familienfoto die Mitglieder des Vereins Hespertalbahn in Atem. Kommissar Zufall half bei der Lösung. Das Ergebnis überrascht.

„Wir haben das Rätsel um das Schleppbahn-Foto gelöst. Endlich! Fünf Jahre nach unserem Aufruf in der WAZ“, sagt Dirk Hagedorn vom Verein Hespertalbahn. Ein Grund zum Jubeln für den Essener Hobbyhistoriker und seine Mitstreiter Bernd und Rolf Knop aus Velbert, die nun das überraschende Ergebnis den Lesern nicht vorenthalten wollen.

Worum geht es? Um eine musizierende Familie vor einem Backsteinhaus – und Bahnschienen im Vordergrund. In einem Buch von 1987 mit historischen Velberter Stadtansichten hatten die Bahnfreunde dieses Foto Ende der 90er Jahre entdeckt. Im Text wird auf die Schleppbahn durch den Langenhorster Wald verwiesen, die im Hespertal auf die Schmalspurbahn vom Plögger Steinbruch zur Phönixhütte in Kupferdreh führte. „Also genau unser Thema“, betont Dirk Hagedorn, der das Archiv des Vereins Hespertalbahn führt. Doch der Bildtext führte alle in die Irre.

Aufruf in der Zeitung brachte Hinweise

Mit dem um 1900 entstandenen Foto waren die Brüder Rolf und Bernd Knop aus Velbert im Laufe der Jahre immer wieder auf Wanderung gegangen – entlang der alten Trassen der Schleppbahn zwischen den Essener Stadtteilen Heidhausen, Fischlaken und Kupferdreh bis auf Velberter und Heiligenhauser Stadtgebiet. Sie fragten Anwohner, stöberten in Archiven. Auch Dirk Hagedorn und Ulrich Lütsch, Hobbyhistoriker, die den Essener und Velberter Bergbau zu ihrem Steckenpferd gemacht haben, sichteten fleißig alte Karten – vergeblich.

Heute
Heute © Heinz-Werner Rieck

Als die WAZ 2012 das besagte Foto veröffentlichte, brachte dies neue Kontakte – „aber die Hinweise waren alle falsch“, sagt Bernd Knop, der in Heiligenhaus arbeitet und dort die Landschaft durchkämmte. Ohne Erfolg. Bis diesen August.

Der entscheidende Tipp

Bei einem seiner Spaziergänge zum Abtskücher Stauteich bekam er im Café Herberge den entscheidenden Tipp: Das Haus könnte zur Ziegelei Mannertz gehört haben. Bernd Knop machte sich also zu deren altem Standort, der Unteren Industriestraße in Heiligenhaus, auf – und fand nach einiger Zeit tatsächlich das gesuchte Gebäude: verputzt und mit modernen Fenstern, aber im Grunde so wie auf dem alten Foto und mit den gleichen Hausnummern. „Ich war total perplex. Die Bewohner waren sehr nett und haben mich ins Haus gelassen. Von innen sieht man noch die ursprünglichen Rundbögen der Fenster.“

Die Schienen vor dem Haus gibt es dagegen schon lange nicht mehr. „Sie gehörten wohl zu einer Werksbahn, die die Ziegel den Berg hoch zur Kleinbahn brachte“, weiß Hartmut Nolte, Stadtarchivar in Heiligenhaus. „Die Ziegel wurden dann nach Velbert beziehungsweise Hösel transportiert. Mit der Schleppbahn hatte das aber nichts zu tun.“

Neue Erkenntnisse gewonnen

Die Essener und Velberter Geschichtsforscher können die Akte Schleppbahn-Foto schließen. Erleichterung ist in den Gesichtern abzulesen. Und trotz des für die Bahnbegeisterten nicht verwertbaren Ergebnisses sind sie zufrieden. „Die Wanderungen haben Spaß gemacht, die Leute, die wir gesprochen haben, waren alle hilfsbereit“, resümiert Bernd Knop und sein Bruder Rolf findet, „dass wir ganz nebenbei unheimlich viel über die Trasse gelernt haben“. Dirk Hagedorn, der an einer Neuauflage seines Buches „Kohle, Kalk & Erze“ arbeitet, muss sich jetzt allerdings ein neues Coverbild suchen...

>> Verein hat Zechenbahn reaktiviert

Die Schleppbahn wurde zunächst mit Pferden betrieben. Sie diente ab 1850 zum Transport von Blei-, Eisen- und Zinkerzen von den niederbergischen Gruben zur Phoenixhütte in Kupferdreh. Im Jahr 1877 wurde die Zeche Pörtingssiepen angeschlossen und das Teilstück von Hesperbrück nach Kupferdreh zu einer Eisenbahn mit Normal-Spurweite und Lokomotivbetrieb umgestellt.

Das restliche Teilstück wurde als Schmalspurbahn betrieben. Nach der Stilllegung der Erzgruben in Velbert ab 1871 wurde die Bahn zum Transport von Kalk (ebenfalls zur Phoenixhütte) genutzt. Die Zechen schlossen nach und nach, als letzte Pörtingssiepen in Fischlaken 1973.

>> Bewahrung der Bergbaugeschichte

Der Verein Hespertalbahn wurde 1975 gegründet, hat zur Zeit rund 130 Mitglieder, von denen etwa ein Viertel aktiv beim Erhalt und Betrieb der Hespertalbahn mitarbeiten. Einer von ihnen ist Dirk Hagedorn, dessen Großvater auf der Zeche Pörtingssiepen gearbeitet hatte. Seit seiner Kindheit ist Hagedorn begeisterter Modellbau- und Bahnfan. Vor rund 20 Jahren übernahm der IT-Experte das Vereinsarchiv und arbeitet inzwischen an einer Neuauflage des 2008 erschienenen Buches zur Historie der Hespertalbahn.