Essen-Kettwig. . Am Grundschulstandort Mintarder Weg wurden erhöhte Werte des Stoffes Tetrachlorethen gemessen. Was es mit dieser Chemikalie auf sich hat.
Entwarnung an der Schule an der Ruhr: Es besteht keine gesundheitliche Gefährdung der Kinder durch am Standort Mintarder Weg nachgewiesene erhöhte Werte des Stoffes Tetrachlorethen. Der Unterricht findet normal statt, lediglich eine der Mädchen-Toiletten wurde vorsorglich gesperrt.
„Für alle ist das natürlich eine Erleichterung“, sagt Wolfgang Wolter-Griegel, der bei der städtischen Immobilienwirtschaft für das Sachgebiet Schadstoffe zuständig ist und am Mittwoch den besorgten Eltern und Lehrern bei einer Infoveranstaltung in der Schule Rede und Antwort stand.
Chemisch-künstlicher Geruch
Dass eine Lehrerin über gesundheitliche Beeinträchtigungen in Form von Augenbrennen und Husten klagte, war im vergangenen November der auslösende Moment, die Raumluft im Schulgebäude am Mintarder Weg genauer zu betrachten. Es hätten Schimmelpilze sein können – doch davon fand das untersuchende Ingenieurbüro Wessling aus Bochum nichts. Stattdessen lagen in einigen Räumen die Werte der leichtflüchtigen Chlorkohlenwasserstoffe über der Norm.
„Es handelt sich um Tetrachlorethen. Das ist ein Lösungsmittel, das bei der chemischen Reinigung verwendet wird. Auch metallverarbeitende Betriebe und in der Druckindustrie wird es eingesetzt“, erläutert der Toxikologe Dr. Ulrich Ewers unserer Zeitung.
„Es riecht chemisch-künstlich“, beschreibt Dr Brigitta Höwing von der Firma Wessling den Eindruck, den sie beim Besuch der Örtlichkeit in Kettwig-Vor der Brücke hatte. In einem Raum im Obergeschoss sowie im darunterliegenden Speiseraum, vor allem aber auf der Mädchentoilette waren die Werte erhöht.
Gefährdung ist ausgeschlossen
Aber, so Ewers, „die vorliegenden Messwerte liegen in einem Bereich bis 150 µg/m³. 1 µg ist ein Millionstel Gramm oder ein tausendstel Milligramm. Der Arbeitsplatzgrenzwert für Tetrachlorethen beträgt 138 mg/m³ und damit das annähernd 1000-fache der in der Toilette gemessenen Konzentration.“ Selbst wenn man eine höhere Empfindlichkeit von Kindern im Vergleich zu Erwachsenen unterstelle, zeigten diese Relationen, „dass auf Basis der bisher vorliegenden Messwerte eine gesundheitliche Gefährdung durch Tetrachlorethen in der Raumluft ausgeschlossen werden kann.“
Wo kommt der Stoff her? „Eine Klappe im Boden im Mädchen-Sanitärraum führt in einen Kriechkeller, durch den Leitungen unterhalb der ganzen Schule verlaufen“, erklärt Brigitta Höwing. „Es ist eine Vermutung, dass der Stoff dort herkommt.“ Eine von mehreren Vermutungen, die die Immobilienwirtschaft, das Umweltamt, das Institut und den Toxikologen derzeit umtreiben. Die Abwasserkanäle in Vor der Brücke, das unter dem Schulgelände zur Ruhr hin verlaufene Grundwasser, kontaminierter Boden in der Umgebung – die Herkunft der leicht flüchtigen Substanz ist noch völlig unklar.
Weitere Teströhrchen sind platziert
Weitere Teströhrchen wurden über das Schulgebäude verteilt platziert, sie werden nach sieben Tagen am Freitag abgenommen und ausgewertet. OGS und Kita werden ebenfalls untersucht. Je nach Ergebnis wird der Kreis um die Schule weiter gezogen. Denn: In der Tat gab es früher eine chemische Reinigung in der Nähe, auch metallverarbeitende Gewerbe „und eine Papierfabrik soll es gegeben haben“, weiß Wolter-Griegel aus den Berichten von Eltern.
Da die Kettwiger großen Wert auf ihre Geschichte legten, hegt er Hoffnungen, „dass sich der eine oder andere findet, der uns etwas über die Betriebe in Vor der Brücke erzählen kann“. Auch die Museums- und Geschichtsfreunde werde er kontaktieren, um alte Karten und Unterlagen zu bekommen: „Die Kontamination kann schon sehr lange zurückliegen.“
Ist die Ursache gefunden, werde sie schnell abgestellt. Maßnahmen, damit der Geruch erst mal draußen bleibt, seien nun Abdichtungen.
>> Tetrachlorethen löst Fett
Wegen seines hohen Fettlösevermögens wird Tetrachlorethen in Metallbetrieben und in der Druckindustrie verwendet. Linsen und Prismen werden ebenfalls damit gereinigt. Ein weiteres Anwendungsgebiet des Stoffes ist die chemische Reinigung. Daher stammt auch das bekannte „P“ („Perchlorethylen“) auf dem Pflegesymbol in den Kleidungsetiketten.