Essen-Werden. . „Jazz & so“: Der Musik-Abend mit dem Emil Brandqvist Trio erzählt den Zuschauern in Essen-Werden eine Geschichte vom schwermütigen Norden.
Das Forum des Mariengymnasiums hat sich klammheimlich als Veranstaltungsort für anspruchsvolle Konzerte etabliert. Gerne nutzt ihn Buchhändler Thomas Schmitz, der inzwischen auch handverlesene Platten verkauft, und legt in der losen Reihe „Jazz & so“ skandinavische Tonkunst nach. Die halbjährige Vorfreude auf das Konzert hat Hoffnungen geweckt. Sie sind erfüllt: „Schon bei den Proben war zu spüren, dass hier grandiose Musiker am Start sind. Dazu auch total nette Leute.“
Verschiedene musikalische Klänge
Das Konzert ist sehr gut besucht, das Publikum ein eher lebensälteres, aber darum nicht weniger begeisterungsfähiges. Schon die ersten Fingerübungen elektrisieren. Tuomas A. Turunen, ein Finne, zupft die Saiten seines Klaviers, kontemplative Klänge erobern den Raum. Das Trio spürt den akustischen Möglichkeiten nach, lotet seine Klangwelten aus. Der schwedische Schlagzeuger, Komponist und Bandleader Emil Brandqvist liefert das rhythmische Gerüst, Max Thornberg streicht wehmütig den Kontrabass.
Mit diesem Opener haben die jungen Herren das Publikum sofort für sich eingenommen. Sie können auch anders: Ein grooviger Bass und stimmige Percussions legen die Grundlage für ein glasklares Klavierspiel, die Instrumente feuern sich gegenseitig an, nehmen den Schwung auf und treiben den Rhythmus nach vorn. So wird der Abend eine Geschichte erzählen. Vom schwermütigen Norden, seiner klaren Natur, dem Temperament der angeblich so unterkühlten Skandinavier. Von der Sehnsucht des Stadtmenschen nach der Weite des Landes. Auch von drei brillanten Individualisten, die sich immer Luft zum Atmen lassen, in expressiv-faszinierenden Soli aufblühen, um umso gekonnter im Kollektiv zu verschmelzen.
Emil Brandqvist unterbricht gerne einmal, streut sympathisch-verschmitzte Einblicke in seine kleine Welt ein. Für das Video zum Song „Longing“ hatte er die famose Idee, ein Piano in den Wald zu transportieren. Er sei ja von seinem Schlagzeug viel Schlepperei gewöhnt und sage sich dann oft: „Die Trompete ist eigentlich auch ein schönes Instrument.“ Doch das Klavier in den Wald zu tragen? Natürlich begann es prompt zu regnen: „Da standen wir dann mit kaputtem Rücken und kaputtem Klavier. Was für eine Schnapsidee.“
Bei „Sunrise“ startet das Piano, bald steigen Drums und Bass ein, die Stimmungslage ändert sich, wird förmlich hyperaktiv. Furiose Musiker reißen sich in Ekstase gegenseitig mit, das bereitet den Zuhörern große Freude, sie sparen nicht mit ihrem Applaus. Emil Brandqvist berichtet vom kleinen Sommerhaus, einst vom Großvater erbaut. Ein Rückzugsort inmitten purer Landschaft: „Frische Luft, spazieren gehen.“ Hier ist Entschleunigung ein Thema, spiegelt sich in filigran-zurückgelehnten Kompositionen wider wie „Grimsholmen“ und „Bobergsudde“. Brandqvist hat auch Filmmusik komponiert, beweist feines Gespür fürs Einfangen der ganz speziellen Atmosphäre voller Anmut und Intimität. Seine Musik ist bilderreich und die Fantasie anregend.
Doch Brandqvist kommt beileibe nicht als esoterischer Naturspinner rüber, eher als bodenständiger Familienvater mit durchaus handfesten Problemen. Er lebt in Göteborg mit Frau und Kindern, arbeitet aber 150 Kilometer entfernt, nächtigt dann beim Vater: „Als ob ich wieder 15 Jahre alt wäre.“ Genießt die Wochenenden, Ausflüge mit den Kindern, doch die Stadt macht ihnen Angst, die vielen Autos, die verpestete Luft. So entstand das Lied „Du håller min hand“.
Besinnliches wechselt heiter mit Rhythmuspassagen ab, Turunen zaubert an den Tasten, Thornberg zupft den Bass virtuos, Brandqvist holt alles aus seinem Schlagzeug heraus. Großer Beifall. Rote Rosen für die Künstler. Der tosende Applaus lockt sie zurück auf die Bühne, eine Zugabe. Das munterste Stück ihrer jüngsten CD „Falling Chrystals“, mit der sie gerade auf Deutschlandtour gehen. „Through the forest“ sorgt dafür, dass das Dach abhebt, nun können die begeisterten Zuhörer noch ein allerletztes Juwel mit nach Hause nehmen.
Ein allerletztes Juwel zum Schluss
„Across the waters“ handelt von Menschen, die uns eine Zeit lang begleitet haben und nun nicht mehr da sind. Nachdenklich klingt ein großes Konzert aus. Die Musiker mischen sich unters Publikum, signieren ihre Platten, freuen sich offen über die Resonanz.