Essen-Kettwig. . Brigitta Schröder wirbt um Verständnis für all die Veränderungen, die das Leben mit Demenz mit sich bringt und fordert zum Blickrichtungswechsel auf.

Mit einem Lächeln setzt sich Brigitta Schröder neben ein Ehepaar ins Publikum. Sie legt der Dame ihre Hand auf dem Arm und sucht den Augenkontakt. Allein diese kleinen Gesten lassen ihr Gegenüber strahlen. Denn Schröders ganze Körperhaltung ist positiv. Ihr Gang ist aufrecht, ihre Hände ruhen keinen Moment lang in ihrem Schoß und ihr Mund verzieht sich immer wieder zu einem Schmunzeln. Gestik und Mimik sind das A und O, wenn es um das Miteinander geht. Das Demenznetz Kettwig hat die Diakonisse eingeladen, um im Rathaussaal einen Blickrichtungswechsel zum Thema Demenz einzuläuten. Mit Erfolg.

Brigitta Schröder achtet sehr auf ihre Körperhaltung. Den ganzen Vortrag lang wirbelt sie wie eine Rakete vor dem Publikum umher. Ihre positive Einstellung ist nicht nur ansteckend, sie ist Pflicht wenn es darum geht, Menschen mit Demenz zu begegnen. „Diese Menschen sind Seismographen“, erklärt Schröder, „selbst in der dritten Phase, in der viele nicht mehr sprechen können und im Bett liegen, nehmen sie Gefühle sofort war.“ Denn Menschen die an Demenz leiden, leben in einer anderen Welt. In einer Welt, in der fast alles nur über Emotionen und Erinnerungen funktioniert.

Unter der Demenz leidet das Kurzzeitgedächtnis. Viele Angehörige versuchen durch stetiges Nachfragen und Abfragen von Informationen dieses aufrecht zu erhalten. Was gut gemeint ist, ist für die Betroffenen allerdings sehr belastend. Das Langzeitgedächtnis hingegen funktioniert sehr gut. „Das ist für die Betroffenen wie ein Paradies, aus dem sie nicht vertrieben werden können.“ Aus diesem Wissen schöpfen sie gerne und deshalb ist es wichtig, Erinnerungen an früher in den Alltag einzubeziehen. Biografiearbeit ist ein wichtiges Stichwort, das den Schlüssel zu einem gelungen Miteinander birgt.

Keine Angst vor Tabus

Küchenfeen werden es trotz Demenz zum Beispiel genießen, bei den Vorbereitungen für das Mittagessen zu helfen. Natürlich geht Kartoffelschälen und Co. nicht mehr so schnell wie früher, aber darauf müssen sich Angehörige einstellen. „Kinder müssen einen Rollentausch machen. Einst wurden sie umsorgt, heute umsorgen sie die Eltern. Das ist nicht leicht“, weiß die gebürtige Schweizerin.

Beratung für Angehörige

Eine Beratung erhalten betroffene Angehörige beim Demenz-Servicezentrum westliches Ruhrgebiet: Verena Krekeler, 0203/29 82 016.

Jeden 1. Mittwoch im Monat wird ein Gesprächskreis veranstaltet: im ev. Seniorenzentrum Kettwig, Wilhelmstraße 5-7, von 17.30 bis 19 Uhr. Ansprechpartnerin ist Mechthild Nijhuis, 0170/ 38 45 109, mechthild-nijhuis@fuk-essen.de.

Schwierig ist es für viele Menschen, auch die Angst vor diesem Tabuthema zu verlieren. Brigitta Schröder kämpft seit vielen Jahren dafür, dass Demenz nahtlos in den Alltag integriert wird. „Wir wollen diese Menschen nicht an den Rand drängen, sondern in unsere Mitte nehmen. Denn sie haben viel Potenzial“, appelliert Schröder. Betroffene verändern sich dahin gehend, dass sie in ihrem Verhalten Kindern immer ähnlicher werden. Aber dennoch möchte jeder Mensch mit Demenz ernstgenommen werden.

Sie tragen keine Maske, sondern die Gefühle auf der Zunge. Mitunter kann diese Ehrlichkeit Angehörige vor den Kopf stoßen und zur Verzweiflung treiben. „Niemand soll sich bei der Pflege selbst aufopfern. Es ist wichtig auf sich zu achten und Menschen mit Demenz professionell zu begleiten“, erklärt Schröder. Das geht oft nur mit professioneller Hilfe. In Kettwig gibt es ein weit verzweigtes Netz, dass Angehörigen und Betroffenen diese Hilfe und Ansprechpartner zu vielen Belangen vermitteln kann.