Essen-Werden. . Werdener Mitbürger mit ausländischen Wurzeln und wie sie die Europameisterschaft erleben. Diesmal: Mali Sirin.
Mali Sirin ist Wirt des Biergartens am Ruhrufer und liefert am Treidelplatz Livebilder von der EM. Von den Spielen seines Geburtslandes Türkei war er bisher nicht überzeugt, das frühe Aus überrascht ihn nicht.
In der südanatolischen Stadt Kahramanmaraş wurde Mehmet Ali Sirin geboren. In die ferne Provinz hatte die eigentlich in Istanbul beheimatete Familie aufgrund der politischen Lage flüchten müssen: „Liberal und links denken war nicht erwünscht.“ Später wanderten sie ganz aus. Der Vater hatte früher in Deutschland studiert, in Köln seine Zukünftige kennen- und lieben gelernt.
Sohn Mali war ein verdammt guter Fußballer. Linksaußen. Was sonst? Der nun 35-Jährige verdiente sogar als Profi sein Geld, kam viel rum, Deutschland, Dänemark, Türkei. Mit einem Schmunzeln erinnert sich an sein Engagement beim Kasımpaşa Spor Kulübü in Istanbul: „Dort war kurzzeitig Werner Lorant mein Trainer. Das war lustig.“ Im Stadtviertel Kasımpaşa wurde der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan geboren. Ein heikles Thema, Sirin ist nun gar kein Fan, aber auch kein Freund von Schwarz-Weiß-Malerei: „Erdoğan erfährt auch Zuspruch, weil er in der Gesellschaft viel verändert hat. Den ‚kleinen Leuten‘ geht es jetzt besser, den Akademikern dagegen schlechter. Und die Sehnsucht der Türken nach Europa hat sich auch ziemlich gelegt.“
1992 kam der kleine Mali nach Deutschland: „Ich konnte kein Wort, war gezwungen, schnell Deutsch zu lernen.“ Was nach Anlaufschwierigkeiten auch klappte. Er machte sein Abitur, begann ein Sportsstudium, dann trat der bezahlte Fußball in den Vordergrund. Längst vorbei und abgehakt. Heute ist vor allem die Familie wichtig: Ehefrau Selma ist Deutsche, seit 15 Jahren sind die beiden ein Paar, kennengelernt in Spanien, geheiratet wurde auf Mallorca. Zwei Töchterchen später sagt Mali Sirin: „Wir leben gerne in Werden. Ich fühle mich hier total heimisch!“
Deswegen spricht er auch immer von der DFB-Auswahl, wenn er nach dem Nationalteam gefragt wird. Die deutsche Elf habe sich enorm gewandelt. Früher Kraft- und oft Rumpelfußballer, weht nun ein ganz anderer, feinsinniger Geist durch die Kabine. Wegen Jürgen Klinsmann, konstatiert Sirin: „Ich bin froh darüber. Klinsmann hat sich damals was getraut, der Herr Löw war da nur Co-Trainer.“ Mali Sirin schätzt kreativen Geist: „Ein Mesut Özil wäre im türkischen Team nicht denkbar!“
Der Fußball-Fachmann hat überhaupt kein Verständnis für den türkischen „Imperator“, Trainer Fatih Terim: „Peinlich. Seit 20 Jahren macht er das, hat aber nichts erreicht. Einmal zufällig im Halbfinale mit späten Glückstoren, darauf ruht man sich aus.“ Fast wäre die Türkei auch diesmal durch einen Sieg über Tschechien „irgendwie“ doch noch weitergekommen: „Dann hätten sie wieder gedacht, der Trainer kann doch was. Dabei hat er so viele gut ausgebildete Talente, auch aus Deutschland. Aber Terim spielt systemlosen Fußball…“
Eine Prognose? „Gewinnen werden Deutschland oder Gastgeber Frankreich.“
Mali Sirin wird es live auf seiner Großbildleinwand verfolgen.