Essen-Werden. . Corinna Habermann kümmert sich in Werden um Menschen vom Westbalkan, die Angst haben, abgeschoben zu werden.
„Die Menschen hier kommen aus Ländern, in denen sie auf dem Abstellgleis stehen“, sagt Corinna Habermann und lässt ihren Kalender und einige Unterlagen auf den Schreibtisch fallen. Vor ihrem Büro findet gerade ein Deutsch-Kurs statt. Sie setzt sich hin und schüttet erst einmal Wasser in das Glas vor sich. Habermann ist Sozialarbeiterin der Caritas im Werdener Flüchtlingsheim und kommt gerade vom Team-Meeting. Rund zwei Monate arbeitet sie nun als Flüchtlingsberaterin im Löwental. Einen großen Teil ihrer Arbeit macht dabei die Beratung der Bewohner über deren Asylverfahren aus. In Werden steht indes ein anderer Bereich im Mittelpunkt ihrer Aufgaben: die Sozialberatung. Denn im Löwental leben zur Zeit 51 Menschen, allesamt Familien mit Kindern, allesamt Asylbewerber vom Westbalkan.
„Die meisten Asylverfahren hier sind also abgeschlossen, die Menschen leben nur mit einer Duldung in Deutschland und gehen regelmäßig zur Ausländerbehörde, um vorzusprechen“, erklärt Habermann dann. Rechtlich gesehen ist eine Duldung nur die Aussetzung der Abschiebung, aber kein Aufenthaltstitel. „Eine Duldung heißt daher auch, dass hier jeden Tag die Ausländerbehörde mit der Polizei vorfahren und eine Abschiebung vollstrecken kann“, fasst sie die Rechtslage zusammen.
Eine Situation, die für die Asylbewerber natürlich sehr schwierig ist. Es sei unvorstellbar, solch eine Belastung zu erfahren, sagt Habermann: „Das ist wirklich eine sehr, sehr große Last, die auf ihren Schultern liegt und dann auch zu psychischen Erkrankungen führt, wenn sie jeden Tag Angst haben.“
Abschiebungen sind zu erwarten
Sie persönlich habe im Löwental bisher noch keine Abschiebung miterlebt, erzählt die engagierte Frau und klopft symbolisch drei Mal auf ihren hölzernen Schreibtisch. „Aber kurz bevor ich hier angefangen habe, wurde eine Familie abgeschoben, da habe ich nur noch mitbekommen, dass das Zimmer anschließend leer war.“
Die Caritas betreut das Flüchtlingsheim im Löwental nun seit Anfang März, Habermann arbeitet seit Mitte Juli als Flüchtlingsberaterin in Werden. „Es läuft auch darauf hinaus: Irgendwann wird hier auch in meiner Anwesenheit jemand abgeschoben werden.“
Besonders bei den Flüchtlingen vom Westbalkan gehe es während ihrer Arbeit vor allem um die Gestaltung der Zeit, die sie hier verbringen. Selber arbeiten dürfen nur die wenigsten. Bei dem Team-Meeting spricht Corinna Habermann dann auch mit allen Einrichtungsbetreuern zusammen die Pläne für die anstehende Woche ab: Wie bekommen die neuen Bewohner ein Sozialticket für den Nahverkehr? Wann ist die nächste Bewohnerversammlung? Klappt auch alles mit dem geplanten Zoo-Besuch? Corinna Habermann und ihre Kollegen belasten die Schicksale der Flüchtlinge im Löwental natürlich ebenfalls. Gerade im Moment verfolgt das Thema sie ja auch privat rund um die Uhr: „Die Arbeit hier hört nicht auf, wenn wir nach Hause gehen, jeder redet schließlich darüber – es ist in der Gesellschaft gerade das Thema Nummer eins.“
„Wirtschaftsflüchtlinge“
Oft sei dabei in den Medien die Rede von „Wirtschaftsflüchtlingen“, wenn es um die Menschen vom Balkan geht. Habermann findet diesen Begriff völlig unangebracht: „Die Menschen, die zu uns kommen, flüchten natürlich nicht, weil es ihnen so super geht in ihrer Heimat, die Flucht hat ja Gründe: In Mazedonien sind es die türkisch-stämmigen Mazedonier, die diskriminiert werden, in den anderen Ländern des Westbalkan die Roma, die seit Jahren eine unheimliche Diskriminierung erfahren.“ Das ginge so weit, dass sie keine ärztliche Behandlung bekämen und die Kinder nicht zur Schule gehen könnten, weil sie gemobbt würden.
„Ich denke, das ist in unserer Bevölkerung weitestgehend unbekannt, dass die Menschen in diesen Ländern tatsächlich weniger wert sind, als die anderen Menschen, die nicht der Ethnie der Roma zugehörig sind. Und gerade dabei finde ich es extrem schlimm, wie wenig die Menschen dafür können – sie haben einfach den falschen Pass, sind im falschen Land geboren und haben viel Pech gehabt.“
Vor Habermanns Büro wiederholt eine Asylbewerberin gerade einen Satz auf deutsch und lacht beim Versuch, ihn richtig auszusprechen. Sie kommt aus dem Kosovo und lebt seit März hier in Werden. Ehrenamtliche Helfer unterstützen sie und die anderen Flüchtlinge seitdem. Rund 30 Freiwillige gehören zum Werdener „Team-Ehrenamt“, wie die Helfer im Löwental heißen. Corinna Habermann freut sich sehr über diese Hilfe: „Ich erlebe das in Werden unheimlich positiv – die Flüchtlinge werden hier von der Bevölkerung wirklich sehr gut aufgenommen.“