Essen-Kettwig. . Viele Kettwiger Griechen leben seit den 1960er Jahren im Stadtteil. Um die Zukunft ihrer Heimat machen sie sich große Sorgen.

In Kettwig leben viele Griechen. Seit den 1960er Jahren. Sie haben damals vor allem in der Tuchmacherindustrie der noch selbstständigen Stadt gearbeitet. Viele von ihnen sind geblieben. Haben hier an der Ruhr ein Zuhause gefunden. Mit Sorgen beobachten sie die Entwicklung in ihrer Heimat.

Ein Blick in die Einwohnerdatei der Stadt Essen gibt Aufschluss. Stand 30. Juni 2015 leben in Essen 3673 Griechen - in Kettwig 331. Eine starke Gemeinschaft.

Dazu gehören Areti Rokka, Nikolaos Feidas, Evangelos Thetos und Kosmas Lazaridis.

Die Situation in Griechenland ist schwierig, doch die Diskussion um einen Grexit nerven. Areti Rokka ist in Kettwig aufgewachsen und zurückgegangen. 31 Jahre lang hat sie wieder in ihrer Heimat gelebt und seit 2011 wohnt sie wieder in Kettwig, „weil mein Sohn dort keine Arbeit bekommen hat“. Nikolaos Feidas lebt seit 1988 im Stadtteil, „weil es mir so gut gefallen hat“ und für Evangelos Thetos ist Kettwig seit 1969 die zweite Heimat. Auch Kosmas Lazaridis ist Kettwiger seit 1970 - und natürlich immer Grieche geblieben. Areti Rokka verfolgt übers Internet die Situation in Griechenland und hält Kontakt zu ihrer Tochter, „die zwar in einer touristischen Gegend lebt, aber keine Arbeit hat. Und wenn du bei uns keine Arbeit hast, bekommst du auch kein Geld. Die Arbeitslosenquote liegt bei den Jugendlichen bei 62 Prozent. Die Familien wohnen wieder alle zusammen, die Kinder leben von der kleinen Rente ihrer Eltern. Griechenland wird klein gemacht, gedemütigt“, sagt sie.

Aber sie glaubt an Europa, weiß, dass in der Vergangenheit Fehler passiert sind. „Wir müssen schauen, dass die Industrie wieder ans Laufen kommt. Wie verrückt ist das? Wir importieren Zitronen aus der Türkei und schmeißen unsere eigenen Ernten weg?“ Auf ihrer Arbeitsstelle muss sie sich für die Situation ihrer Landsleute rechtfertigen. „Kaum einer weiß das - junge Leute arbeiten dort sieben Tage in der Woche, zehn Stunden am Tag und bekommen am Ende 500 Euro. Das geht nicht.“

Für Evangelos Thetos ist das größte Problem. „dass immer nur das Geld im Mittelpunkt steht. Es geht um Geld und nicht um die Menschen. Um Banken, um Millarden. Die Politik hat uns in diese Situation gebracht. Sie haben uns Kredite gegeben und wussten, dass wir sie nie zurückzahlen können.“

Die Medien und die Politik würden manipulieren - so sieht es Kosmas Lazaridis. „Natürlich muss sich das System in Griechenland verändern, aber nicht zu Lasten der kleinen Bürger. Das Bild vom faulen Griechen ist falsch. In der EU geht es nur um Eitelkeiten und nicht um die Sache.“

Areti Rokka glaubt an die Zukunft Europas und daran, „dass es durch Syriza einfach mal richtig durchgerüttelt wurde. Bislang stehen hinter den Politikern die Banken - und die haben die Macht.“

Sie ist in der Zeit von Konrad Adenauer und Willy Brandt aufgewachsen. „Damals gab es Ziele. Mit fehlt heute die Sicherheit.“

Nikolaos Feidas: „Die Menschen in Griechenland beschäftigen sich intensiv mit Politik. In Deutschland schaut man oftmals nicht nach rechts oder links“.

Die Diskussion um die Zukunft habe Griechenland gespalten - und nicht nur das Parlament. Aber „wir gehören alle zu Europa“, sagt Evangelos Thetos. Er hat Sorge, dass es in 20 Jahren kein Europa mehr geben wird. „Für solche Fälle wie jetzt gibt es keine Verfassung. Keiner weiß, was zu tun ist.“

Er schenkt mir am Schluss des Gespräches einen Geldschein. 1000 Drachmen. Eine Tasse Kaffee würde man dafür bekommen, wenn es diese Währung noch geben würde. Als Erinnerung hat er immer einen Schein in seinem Portemonnaie.