Essen-Kettwig. . Vor 25 Jahren wurde es gegründet. Heute sind im Kettwiger Rathaus über 1000 Exponate zur Stadtteil-Geschichte zu sehen.
„Schneider waren keine schlappen Kerle”. Hans Gerd Engelhardt zeigt auf das Bügeleisen in einer Vitrine, das der Kettwiger Schneidermeister Karl Kampmann einst benutzte und das die Bezeichnung „Eisen” noch wirklich verdient hat: Elf Kilo bringt das gute Teil auf die Waage. Es ist nur eines der vielen Ausstellungsstücke, die sich in fünf Räumen der dritten Etage im Kettwiger Rathaus verteilen. Hier sind die Museums- und Geschichtsfreunde Kettwig beheimatet, die sich vor 25 Jahren gegründet haben – somit ist der Verein, der die Geschichte des Dorfs erlebbar macht, inzwischen selbst Teil der Geschichte geworden.
Initiative geht auf VHS-Kurs zurück
„Die Idee für das Museum ging von Kursteilnehmern der Volkshochschule aus”, erinnert sich Hans Gerd Engelhardt, Gründungsmitglied und langjähriger Vorsitzender. Geschichte ist seit jeher ein Steckenpferd des pensionierten Lehrers, der die VHS-Kurse geleitet hatte. Durch Spenden der Teilnehmer und anderer Kettwiger konnten die Gründungsmitglieder eine Sammlung aufbauen, die man vor 25 Jahren erstmals in einem alten Fachwerkhaus an der Schulstraße, in dem die Arbeiterwohlfahrt (Awo) beheimatet war, der Öffentlichkeit präsentieren konnte.
Seitdem musste der Verein mehrmals umziehen: Nachdem das alte Awo-Haus Mitte der 1990er-Jahre verkauft und zu Wohnraum umgewandelt wurde, ging es auf Geheiß der Stadt ins Rathaus – zunächst in den Keller, dann ins Erdgeschoss. „Dort hatten wir gerade mal einen Raum zur Verfügung für unsere ganze Sachen”, so Engelhardt.
Trotzdem war man glücklich über diesen exponierten, geschichtsträchtigen Standort. Um so verwunderter zeigten sich die Mitglieder, als sie vor zwei Jahren erneut umziehen mussten – in die dritte Etage des Rathauses. „Gegen unseren Willen geschah dies”, betont der 81-Jährige. „Nur von einem Schild haben wir erfahren, dass uns der Verwaltungsleiter in die dritte Etage verfrachtet hatte, nachdem die Folkwang Musikschule dort ausgezogen war.” Inzwischen sei man froh über diesen vielleicht etwas unsanften Umzug, denn: „Wir haben jetzt viel mehr Platz für unsere guten Stücke.” Über 1000 Exponate habe der Verein inzwischen gesammelt, und auch wenn man nicht alle präsentieren könne, so gebe die gut strukturierte Dauerausstellung doch einen spannenden Querschnitt.
Neben dem ersten Raum, in dem es vornehmlich um Kleidung und die Geschichte der Schneiderei geht, gelangt man in die „Hauswarenabteilung”, wo Küchenutensilien wie zum Beispiel altes Besteck zu finden sind.
Doch ist nicht alles Gold, was glänzt: „Moderner Kitsch ist das”, sagt Günter Voss, der den Vorsitz vor zwei Jahren übernommen hat, „die vermeintlich vergoldeten Griffe sind aus Plastik.” Immerhin: Dieser Kitsch hat auch schon gut 80 Jahre auf dem Buckel.
In diesem Raum ist auch ein imposanter Wohnzimmerschrank zu sehen, den Engelhardt selbst gespendet hat: „Für unsere Wohnung war der damals zu dunkel, und der Heimat- und Verkehrsverein hat sich beklagt, dass es hier keine Möbel zu sehen sind”, sagt er.
Und nicht zuletzt, weil es nur drei von diesen imposanten Kolossen gibt, stellt er im Museum ein wahres Prachtstück dar. Und Platz für weitere Ausstellungsstücke, wie zum Beispiel eine hübsch verzierte Wanderplatte, die die Mädchen der Pestalozzi-Schule 1944 im Völkerball gewinnen konnten, bietet die Schrankvitrine auch.
Großen Raum nimmt zudem die Industriegeschichte Kettwigs ein: So sind zum Beispiel Kabelverteiler der früheren Kettwiger Firma Kehrs, die von 1920 bis 1980 im Dorf angesiedelt war., zu bewundern „Kehrs’ Klemmen waren früher der Klassiker”, weiß Engelhardt. Nach wie vor funktionstüchtig ist ein Kurbeltelefon von Funke + Huster : „Das habe ich auf Zollverein entdeckt, wo es einst als Grubentelefon Verwendung fand.” Heute können es Schulklassen, Vereine oder Einzelpersonen, die ins Museum kommen, ausprobieren: Es ist mit einem Wählscheibentelefon aus der ehemaligen DDR im Nebenzimmer verbunden. Auch ein Hingucker: Olympiafackeln der Firma Hagri aus dem Jahr 1972.
Handgefertigte Modelle, seltene, aber einst alltägliche Fundstücke und Dinge, die mancher aus dem eigenen Haushalt von früher wiedererkennt: Das Museum lässt den Besucher in die Geschichte versinken. Dass das bei den Kettwigern gut ankommt, zeigen die in letzter Zeit steigenden Mitgliederzahlen: „Über 100 sind wir inzwischen”, sagt Voss und ergänzt: „Zum Jubiläum wünsche ich mir, dass es noch mehr werden.”
Geöffnet hat das Museum im Rathaus am Bürgermeister-Fiedler-Platz zu den Markttagen, dienstags und freitags, 10 bis 12 Uhr, sowie donnerstags 17.30 bis 19 Uhr, oder nach Vereinbarung: 02054/81717 oder 02054/85680.