Essen-Kettwig. . Die „Kettwichte“ stehen seit jeher für politisches Kabarett. Die aktuelle Besetzung ist besonders bissig, was sich bis nach Berlin rumgesprochen hat.
Kein Vorurteil, das nicht gekontert werden könnte. Von wegen: Junge Menschen haben mit Politik nix am Hut. Seit Jahrzehnten beweisen die „Kettwichte“ vom Theodor-Heuss-Gymnasium das Gegenteil, sind vielleicht noch nicht ganz so bissig wie die legendären Vorbilder der „Münchner Lach- und Schießgesellschaft“ oder der Berliner „Stachelschweine“, aber was nicht ist . . .
Elf junge Frauen und Männer, anfangs nur Mitschüler, mittlerweile mindestens gute Kollegen, mitunter sogar Freunde oder Liebespaare. Elf Schüler aus den Jahrgangsstufen 11 und 12, die einst das strenge Casting überstanden haben und sich seitdem je nach Auftrittsort auf eine Bühne stellen, um wildfremde Menschen a) zu unterhalten und b) deren Sinne fürs Politische zu schärfen. Elf Freunde, die sich in 2x45 Minuten äußerst gekonnt die Bälle zuspielen – und doch hat's mit Fußball diesmal nichts zu tun.
Seit gut zwei Jahren kümmert sich Literaturlehrer und „Chef-Kettwicht“ Christian Reindl (34) darum, dass der Laden läuft. „Was wir machen, hat mit klassischer Comedy nichts zu tun, wir wollen schon Kabarett zeigen, politisches Kabarett, so der Auftrag.“
Dr. König, Buring. Die Namen seiner Vorvorvorgänger haben einen feinen Klang, aber früher war früher. Für Reindl und seine Leute zählt das Heute. Gleichermaßen lässige wie entschlossene junge Männer wie Ole Werner und Paul Kamminga, Florian Jochem, Philipp Eisenkopf und Marc Real treffen auf wirklich spannende und vor allem äußerst toughe junge Frauen wie Julia Wirth, Rebecca Schanze, Marcia Wohlert, Hanna Schneider und Luise Schenk-Schlautmann. Und dass eine wie Sina von der Heiden noch einmal einspringt, obschon sie längst ihr Abi hat und nicht mehr zum festen Team gehört, zeigt: Es muss irgendwie Laune machen, „Kettwicht“ zu sein.
„Wer wird denn gleich in die Luft gehen?“ Was im ersten Moment an eine Zigarettenwerbung aus den 1970-er Jahren und das legendäre HB-Männchen erinnert, hat aber doch einen ernsten Hintergrund. Russland, Putin, Terrorismus – das sind die Wunden, in denen die „Kettwichte“ derzeit bohren. Etwa: Florian will dem Vater folgen und Taliban werden, was Mama Marcia stolz macht. „Wird Ehre von Haus mehren“, hofft sie, und obwohl Sohnemann bereits durch die Taliban-Prüfung gerasselt und gesäbelt ist, hat er nach wie vor Ambitionen. „Wer wird denn gleich in die Luft gehen?“ Muss ja nicht gleich, kann ja auch was später sein . . .
Dr. Wahnheimer, Hausmeister Schimanski oder das „Herzblatt“ mit Liberty, die auf der Suche nach einem neuen starken Mann ausgerechnet auf Viktor Orbán, Wladimir Putin und Kim Jong-un trifft. Das alles hat derart viel Drive, Witz und Tiefgang, dass nach der Uni Dortmund nun auch die Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin anfragte. Dort werden die „Kettwichte“ am nächsten Freitag auftreten, und am Samstag drauf, 21. März dann zum „Saisonende“ hier im Alten Bahnhof (19.30 Uhr, 15/10 Euro).
Nach Berlin fahren sie übrigens mit dem Zug, zum Bahnhof wohl mit dem Rad. Man muss ja wirklich nicht gleich in die Luft gehen . . .
Nach längerer Pause treten die Neuen Kettwichte am Samstag, 14. März, wieder im Krayer Rathaus aus (19 Uhr). Karten (9 Euro): im Tabakshop Heidemann, bei Tabakwaren Kuhs, in Gantenbergs Brauhaus, im Spielzeugparadies oder der Buchhandlung Polberg.