Essen-Kettwig. .

Es ist die Nacht zum 1. Januar 1975. Helmut Springmann und sein Feuerwehrkollege Friedhelm von Dorp machen Dienst auf dem Krankenwagen. In wenigen Stunden wird die Stadt Kettwig trotz des großen Widerstands der Bevölkerung im Zuge der Gebietsreform aus dem Kreis Düsseldorf-Mettmann in die Stadt Essen eingemeindet; der westlichste Kettwiger Stadtteil Mintard wird an Mülheim fallen.

Für die beiden Männer ist es fast eine Nacht wie jede andere. Helmut Springmann ist heute 85. Er erinnert sich: „Wir wurden zu einer Schlägerei nach Auf der Höhe gerufen. Das war an Silvester nichts Ungewöhnliches. Und wir hatten auch gar keine Zeit, um daran zu denken, dass mit der Stadt Kettwig jetzt endgültig Schluss sein wird.“

Wenn nicht Silvester gewesen wäre, hätte Helmut Springmann am nächsten Tag arbeiten müssen. Alle drei Wochen machte er eine Nachtschicht auf dem Krankenwagen, ging nach Hause, umziehen, und dann zur Firma Wellpott. 50 Jahre lang war er dort als Klempner und Installateur beschäftigt. Immer pünktlich, immer zuverlässig.

Wie auch als Feuerwehrmann. 1948 begann er seinen ehrenamtlichen Dienst, wurde Hauptbrandmeister, später Löschzugführer. „Wir wussten nicht, was nach der Eingemeindung auf uns zukommen würde. Wir hatten ja auch keinen Bezug zur Essener Feuerwehr. Die einzigen, die wir besser kannten, waren die Werdener.“

Quer durch den Kreis Mettmann bis nach Hilden reichten die Kontakte - aber Essen? „Eigentlich blieb danach fast alles wie gehabt“, sagt Helmut Springmann. „Und ich kann jetzt auch nicht beurteilen, ob es uns wirklich besser gehen würde, wenn wir selbstständig geblieben wären...“

Seine Frau Christel erinnert sich noch an die Weihnachtsfeiern der Freiwilligen Feuerwehr Kettwig vor der Eingemeindung: „Wir saßen in der Wellmuth zusammen, Bürgermeister Fiedler und die gesamte Stadtspitze kamen.“ Man sei ja Kettwiger gewesen und wäre es auch gern geblieben. Kettwig - die Gartenstadt...

Im November 1965 zogen die Springmanns in ihre Wohnung an der Freiligrathstraße - dort leben sie auch heute noch. „Der Freiligrathplatz war voller Bäume und in der Mitte standen Bienenstöcke. Man weiß ja nicht, wie Kettwig aussehen würde, wenn wir selbstständig geblieben wären. Aber damals war alles sehr schön und sehr gepflegt“, sagt die 81-Jährige.

Heute vor genau 40 Jahren rückten Helmut Springmann und Friedhelm von Dorp noch kurz vor Mitternacht ein. „Als wir an der Wache ankamen, war schon die Besatzung des Unfallwagens aus Essen da. Davon wussten wir nichts.“ Nur wenige Minuten später war Kettwig dann ganz offiziell nur noch ein Stadtteil.