Geschwiegen hat er bislang, aber jetzt will er reden. Am Donnerstag, fünfter Tag im Prozess um den Betrieb einer riesigen Hanf-Plantage im Essener Norden, sprach der 64-Jährige mit Stolz über sein Lebenswerk. Heute könnte er schon ein Urteil bekommen.
"Ich bin 64 Jahre alt und mein Leben lang selbständig", brach der Schrotthändler sein Schweigen, das ihm im Prozess oft schwer zu fallen schien. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, gemeinsam mit seinem Sohn in einer alten Fabrikhalle auf dem ehemaligen Olsberg-Gelände in Essen-Katernberg professionell und im großen Stil Cannabis angebaut zu haben. "Ohne den Vater lief nichts", hatte sein Mitangeklagter, der Este Peeter K. (29), ihn zum Prozessauftakt belastet.
Angriff gegen den "Kronzeugen"
So ging es am Donnerstag mit Hilfe von Familienmitgliedern darum, den "Kronzeugen" zu entkräften. Auch ein Schrotthändler will dazu beitragen. Er habe auf seinem Balkon mitbekommen, dass in der Wohnung eines anderen Mitbeschuldigten eine Strategie entworfen wurde, erzählt der 33-Jährige: "Wenn was passiert, schieben wir alles auf die Familie." Das klang allerdings unbestimmter, als es der Beweisantrag von Verteidiger Michael Bonn vermuten ließ. Der hatte den Zeugen mit dem Satz angekündigt. "...dann schieben wir alles auf den Vater". Dass der Zeuge in der Wohnung einer Tochter der Familie wohnt und bei einer Firma auf ihrem Gelände arbeitet, stärkte seine Aussage nicht unbedingt.
Juristisch verbesserte sich die Position des Angeklagten allerdings. Richterin Jutta Wendrich-Rosch gab den rechtlichen Hinweis, der Vater könne auch wegen Beihilfe verurteilt werden. Das dürfte zu einer milderen Strafe führen, wenn voraussichtlich am Freitag geurteilt wird.
Schrotthändler seit 50 Jahren
Verteidiger Bonn kündigte an, dass sein Mandant zum Lebenslauf aussagen wolle und am Freitag auch zur Sache. Mit einem gewissen Stolz sprach der Angeklagte danach nicht nur von seinen fünf Kindern, sondern auch von seiner Arbeit: "Mein Gewerbe besteht seit 50 Jahren." Schon die Eltern hätten im Essener Norden als Metallhändler gearbeitet. "Ich habe bis 14 Jahren die Schule gemacht und war dann immer in Schrott tätig."
Seinen Grundbesitz zählt er auf, es fallen auch die Standorte, die jetzt einer Tochter gehören. Ob es mit Schrott gut lief, will die Richterin wissen. "Bei mir immer", kommt zurück. Wieviel Geld für ihn monatlich übrig geblieben sei, will sie wissen. Doch dazu kann er detailliert nichts sagen. Nur: "Ich konnte gut davon leben." Aktuell erwartet er auch ein Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung. 2001 hatte er das Olsberg-Gelände von der Firma Bergforth gekauft. Dass er das "für 'nen Appel und 'nen Ei" bekam, wie die Richterin mutmaßt, weist er zurück. Eine Million Mark hat er hingeblättert und leider nichts von den 13 000 Tonnen Altlasten geahnt.
"Immer die falschen Entscheidungen"
Sein Mitangeklagter Peeter K. kann von derartigen Investitionen nicht erzählen. In Estland nach der siebten Klasse von der Schule abgegangen, schlug er sich mit Straftaten durchs Leben: "Ich traf in meinem Leben immer die falschen Entscheidungen und stand vor Problemen." Immerhin will er seine Beute aus der Cannabis-Plantage an seinen Bruder in der Heimat abgeführt haben. "Der studiert Architektur." In Estland und Belgien war er auch schon mit Autoaufbrüchen und einem Juwelierüberfall vor Gericht gelandet: "Ich war jung und brauchte das Geld." Das deutsche Strafregister des Esten weist keine Eintragung auf. Aber, so schränkt die Richterin ein, "da steht auch, dass er die fidschianische Staatsangehörigkeit besitzt".