Ein Altenessener Schrotthändler, der finanziell am großen Rad drehen wollte, steht seit Montag vor der VI. Essener Strafkammer. Er gab zu, in alten Industriehallen eine riesige Cannabis-Plantage betrieben zu haben.
Es wirkt vertraut, die Prozessatmosphäre entspannt, der Ton locker. Selbst die Zuhörer sind die, die schon im Mai im Prozess gegen den 64 Jahre alten Altenessener hinten im Saal saßen. Fast erinnert es an ein Familientreffen, als es am Montag vor der VI. Strafkammer wieder um die Cannabis-Plantage auf dem ehemaligen Olsberggelände in Katernberg geht. Angeklagt sind jetzt der Sohn (33) und drei Komplizen. Alle legen Geständnisse ab, vermutlich schon am Mittwoch dürfte der Prozess mit Verurteilungen beendet werden.
Die Familie und die Schrottverwertung gehören in Altenessen seit Jahrzehnten zusammen. 2003 hatte der Senior zusätzlich zu zwei anderen Standorten das ehemalige Olsberggelände an der Emscherstraße gekauft. Offenbar eine Fehlinvestition. Denn nutzen ließ es sich wirtschaftlich sinnvoll nicht. Nach wenigen Jahren vermietete er es an seinen Sohn.
Der dürfte heilfroh gewesen sein, als sich ein „Investor” aus der Niederlande anbot. Sein heutiger Mitangeklagter Thorbjörn L. (31) guckte sich das Gelände mit dem heute immer noch flüchtigen Björn D. an und fand es passend für eine Cannabis-Plantage. Die Polizei sprach von der größten Indoor-Plantage in Nordrhein-Westfalen, als sie die Hallen am 14. November 2008 stürmte. Mit Hunden, Stolperdraht, Video und Schusswaffen hatten die Betreiber die rund 4000 Pflanzen in den fünf Aufzuchträumen gesichert.
Der Sohn gesteht am Montag, von Anfang an in die Pläne der beiden Komplizen eingeweiht gewesen zu sein. „Ist mir egal”, will er gesagt haben, als die Holländer ihm von ihrem Plan erzählten. „Dein Schaden soll es nicht sein”, soll er zur Antwort bekommen haben. Der Gewinn jeder Ernte wurde zwischen ihnen gedrittelt, die Hallen warfen zudem 7000 Euro Monatsmiete ab.
Angebliche Erpresser
Der Sohn hatte im Prozess gegen den Vater als Zeuge ausgesagt, er sei Anfang 2008 von Jugoslawen erpresst worden. 150 000 Euro hätten sie verlangt und gedroht, die illegale Plantage der Polizei zu melden. Am Montag räumt er ein, dass er den angeblichen Erpresser persönlich schon länger kenne. Es bleibt ungeklärt, wie ernst die Erpressung gemeint war. Der Mitangeklagte Thorbjörn L. hatte sich damals jedenfalls abgesetzt, weil er argwöhnte, dass der Sohn selbst irgendwie dahinter stecke.
Der Vater sollte ihn respektieren
Warum er sich auf die Plantagenpläne eingelassen habe, will Richterin Jutta Wendrich-Rosch von dem Sohn wissen. Der druckst ein wenig herum. „Sie hat es gereizt, schnell Geld zu verdienen”, assistiert Verteidiger Volker Schröder. Aber da ist wohl noch mehr. Die Stimme des Angeklagten klingt belegt. 2006 hatte er sich selbstständig gemacht, war vorher immer beim Vater angestellt. Auch da liegt sein Motiv: „Ich wollte, dass er mich respektiert, dass er sagt, ich liebe dich”. „Sie wollten also, dass der Vater stolz ist auf Sie”, hilft jetzt die Richterin. Der Sohn nickt und geht gerne auf das Angebot der Richterin ein, eine kurze Pause einzulegen. Hinten im Saal sitzt seine hochschwangere Verlobte, die Anfang August von ihm das dritte Kind erwartet. Die Richterin zeigt Verständnis für diese besondere Situation, weiß auch, dass ihr Angeklagter Anfang August selbst Geburtstag hat. An seiner Lage wird es wohl nichts ändern.