Sechs Jahre Haft für einen 28 Jahre alten Polizisten aus Gladbeck. Er hat laut Urteil der XVI. Strafkammer am Landgericht Essen im Sommer vergangenen Jahres in Gladbeck einen Getränkemarkt überfallen, die Kassiererin mit Reizgas verletzt und 80 Euro erbeutet.
Er versucht, unbeeindruckt zu wirken, aber das wird nur Fassade sein. Zu sechs Jahren Haft wegen schweren Raubes verurteilt die XVI. Essener Strafkammer den Gladbecker Polizisten Kim J. (28). Keinen Zweifel hat sie daran, dass er es war, der am 24. Juli den „dursty”-Getränkemarkt an der Bottroper Straße überfallen hatte. Punkt für Punkt listet Richter Martin Hahnemann im Urteil die vielen Beweispunkte auf, die gegen den Polizeibeamten sprechen. Da war das von mehreren Zeugen abgelesene Kennzeichen am Opel Corsa, den der Angeklagte fuhr, das Wiedererkennen durch die überfallene Kassiererin, das Aussageverhalten des Angeklagten. Es passte aus Sicht des Gerichtes eindeutig.
Es war ein Scheingefecht, das Kim J. und sein Verteidiger Enno Strecker drei Tage lang führten. Heftige Vorwürfe hatten sie gegen die ermittelnde Polizei und sogar gegen den Gladbecker Amtsgerichtsdirektor Friedrich Korf erhoben. Aber alles sackte in sich zusammen. Das später widerrufene Geständnis bei Richter Korf? Es sei ihm abgenötigt worden, hatte Kim J. behauptet. Als Korf am Mittwoch in Essen aussagte, konfrontierten ihn Verteidiger und Angeklagter nicht mehr mit diesem Vorwurf. Der Richter, der damals den Haftbefehl außer Vollzug setzte, erinnerte sich an eine aus seiner Sicht glasklare Beweislage, die auch ohne Geständnis reichte: „Warum sollte ich ihn dann unter Druck setzen?” Kim J. habe sich mit seinem Verteidiger unter vier Augen beraten und dann ein Geständnis abgelegt.
Schützengelder veruntreut
Peinlich für den Angeklagten auch die Aussage eines 82-Jährigen aus dem ehemaligen Schützenverein. Was Kim J. am ersten Tag noch mit Unterstützung seines Anwaltes vehement bestritten hatte, lag jetzt klar auf dem Tisch: Der Angeklagte hatte vor acht Jahren als Kassenwart 7500 Euro veruntreut. Darauf angesprochen habe er mit Verleumdungsklage gedroht. Schließlich habe die Mutter die Rückzahlung geleistet und darum gebeten, den Sohn nicht anzuzeigen, ihm eine Chance zu geben. Deshalb habe der Verein auf eine Anzeige verzichtet.
Vorerst auf freiem Fuß
Eine finanzielle Schieflage sah Staatsanwalt Marcus Schütz als Motiv für den Raub. Sechs Jahre und vier Monate Gefängnis hatte er gefordert. Außerdem solle der Haftbefehl wieder in Vollzug gesetzt werden. Das Gericht lehnte das ab. Hahnemann zum Angeklagten: „Flucht? Wo wollen Sie denn hin?”