Damit sie ihn heiratet, soll in Essen ein 24-Jähriger seine Freundin aus Duisburg in der Wohnung eingesperrt haben. Das Amtsgericht Essen sprach ihn aber frei. Was zunächst an Zwangsheirat im türkischen Milieu erinnerte, entpuppte sich als Mischung aus Widersprüchen, Liebe und Enttäuschung.

Zwangsheirat sieht anders aus. Liebe, Heiratsversprechen und Enttäuschung bot der Fall, bei dem das Amtsgericht Essen zum Schluss den 24-jährigen Angeklagten vom Vorwurf der Freiheitsberaubung freisprach. „Ein Freispruch zweiter Klasse”, bemerkte Richter Roland Wissel, weil seine Schöffen und er die Wahrheit in diesem Konflikt nicht herausfanden.

Laut Anklage sah es nach einer gescheiterten Zwangsheirat aus. Der 24-jährige Kurde soll eine Deutsch-Türkin aus Duisburg, mit der er in Essen-Altendorf zusammenlebte, im Sommer 2008 zwei Wochen lang in seiner Wohnung eingesperrt und bedroht haben, damit sie ihn heiratet. So wollte er eine Aufenthaltserlaubnis erhalten.

Aber ganz so einfach liegt der Fall nicht. Erst spricht Rechtsanwalt Herbert Lederer für seinen Mandanten. Die Geschichte des mutmaßlichen Opfers sei frei erfunden. Am 8. Juni sei der Angeklagte eingereist, weil die Frau einen Mann zum Heiraten suchte, um ihrer Familie zu entfliehen. Alles sei nach Plan gelaufen, Hochzeitskarten bereits gedruckt. Da habe der Mann die Heirat verschieben müssen. So sauer sei die 22-Jährige gewesen, dass sie ging und am 30. Juli Anzeige erstattete. Am 25. Februar, so Lederer, wird sein Mandant doch heiraten. Die neue Dame sitzt hinten im Saal. Ob es normal sei, dass man die Braut so schnell wechselt, fragt Wissel, ohne auf eine Antwort zu drängen.

Es tritt die 22-Jährige auf. Selbstbewusst ist sie. Am 9. Juni habe sie den Mann kennen gelernt. Zwei Wochen später wollte sie ihn heiraten. Wissel wundert sich über das Tempo. „Waren Sie mal verliebt”, fragt sie zurück. Sie erzählt, dass sie nach einem Streit im Juli nicht mehr heiraten wollte und er sie einsperrte. Am 30. Juli habe sie ihm den Schlüssel entwenden können und sei geflüchtet.

Aus rechtlichen Gründen, aber auch weil es Zweifel an der Aussage der Frau hat, spricht das Gericht den Angeklagten frei. Staatsanwältin Violette Klima sah es anders und forderte ein Jahr und neun Monate Haft ohne Bewährung. Widersprüche in der Aussage der Frau sprach auch sie an. Dazu gehörte wohl ein emotionaler Ausbruch der 22-Jährigen: „Ich liebe ihn immer noch. Der hat mich nie wirklich geliebt, der will nur hier bleiben. Das tut mir weh.” Eine Woche nach ihrem Auszug, so klagt sie, sei schon die neue Braut eingezogen. -ette