Marl/Essen. .

Vater und Sohn müssen ins Gefängnis, die Tochter kam mit einer Bewährungsstrafe davon. Alle drei hatten im November einen Stalker fast zu Tode geprügelt. Das 64-jährige Familienoberhaupt kollabierte bei der Urteilsverkündung.

Zwei Videokameras im Wettbüro hatten die Tat aufgezeichnet. Hatten detailliert die Wucht der Angriffe auf einen wehrlos am Boden liegenden Mann gezeigt. Eine Tat, die das Essener Schwurgericht als versuchten Totschlag wertete. Es verurteilte am Montag Vater, Sohn und Tochter einer Marler Familie zu mehrjährigen Haftstrafen.

Vater Besir D. (64), der vier Jahre Gefängnis bekam, sackte direkt nach dem Urteilsspruch in der Anklagebank zusammen. Herbeigerufene Notärzte nahmen ihn mit Verdacht auf Herzinfarkt mit ins Krankenhaus. Dass das Gericht den Haftbefehl gegen ihn außer Vollzug setzte, damit er seine Haftstrafe aus der Freiheit heraus antreten kann, bekam er gar nicht mehr mit. Ohne ihn setzte Richter Andreas Labentz schließlich die Urteilsbegründung fort. Sohn Ahmad O. wurde zu sechs Jahren Haft verurteilt, die 23 Jahre alte Tochter bekam zwei Jahre Haft mit Bewährung.

Sie war indirekt der Auslöser der Tat. Die junge Frau hatte in einem Internet-Chat für Muslime das spätere Opfer kennen gelernt. Doch der Mann entpuppte sich nach Auskunft der Angeklagten und anderer Zeugen als nerviger Stalker. Monatelang soll er die Familie terrorisiert haben.

Massive Schläge mit Baseball- und Totschlägern

Für das Gericht stellte das Verhalten des Opfers aber auf keinen Fall eine Rechtfertigung für die Tat dar. „Dann muss man die Polizei rufen“, sagte Labentz. Vernommen hatte die Kammer das Opfer nicht, weil Ärzte psychische Probleme bei einer Zeugenaussage gesehen hatten. Diese sei aber auch nicht nötig gewesen, sagte Labentz und erwähnte die Bilder der Videoüberwachung im Wettbüro an der Bergstraße: „Denn wir haben den optimalen Beweis.“

Der Film, aufgenommen am 26. November 2010 ab 16.35 Uhr, zeige „massivste Schläge mit Baseball- und Totschläger“ gegen den zum Schluss wehrlosen Mann. Die Tochter habe gegen ihn auch noch Pfefferspray eingesetzt, der Sohn mit einem Messer zugestochen. Auf „rücksichtsloseste Weise“ hätten die Angeklagten immer wieder in den Kopf- und Oberkörperbereich des Opfers gezielt. In den Augen des Gerichtes machten die Marler sich damit eines versuchten Totschlages schuldig. Labentz: „Der Tod war nicht das Ziel, er wurde von den Angeklagten aber in Kauf genommen. Es war ihnen egal, ob er an den Folgen der Schläge starb.“

Staatsanwalt Joachim Lich­tinghagen hatte etwas höhere Strafen beantragt, die Verteidiger Siegmund und Burkhard Benecken sowie Hans Reinhard für die Tochter dagegen Bewährung. Labentz räumte ein, dass die Strafen hoch seien: „Das müssen sie aber auch sein.“ Er sprach auch noch den Migrationshintergrund der Angeklagten an: „Sie kommen aus Beirut und haben dort im Bürgerkrieg selbst Gewalt erfahren.“ Deshalb müssten sie wissen, dass Gewalt keine Lösung für einen Konflikt sei.