Essen. Von Gladbeck-Ost aus organisierte eine Gruppe von Gladbeckern und Gelsenkirchenern einen schwunghaften Drogenhandel für Münchener Abnehmer. Seit Dienstag müssen sich sechs Angeklagte vor dem Landgericht Essen verantworten.
In nur fünf Monaten machten die Dealer laut Anklage einen so hohen Gewinn, dass die Staatsanwaltschaft allein für den Hauptangeklagten Ercan C. (35) einen Wertersatzverfall von 677 500 Euro beantragt hat. Mit Marihuana und Kokain soll er gehandelt haben und mit 19 Touren rund 50 Kilogramm Drogen von den Niederlanden über eine Raststätte an der B 224 in Gladbeck bis nach München geschafft haben.
Seit 2008 hatte die Kripo Recklinghausen mit der „EK Pool“ gegen die Gruppe ermittelt. Richterin Jutta Wendrich-Rosch, Vorsitzende der VI. Essener Strafkammer, lobte ausdrücklich die Ermittlungsarbeit der Polizei. Offenbar war das Ergebnis tatsächlich so beeindruckend, dass Ercan C. nach einer Beratung mit seinem Verteidiger Siegmund Benecken sein bisheriges Schweigen brach: „Ja, die Vorwürfe der Anklage treffen zu.“
Telefonate hatten die Fahnder abgehört, Handydaten geortet, bis sie hinter die seriös anmutende Fassade blickte. In Gladbeck und Gelsenkirchen betrieb Ercan C. Geschäfte mit Restpostenartikeln, in Gladbeck Ost hatte er sich vor zwei Jahren ein Einfamilienhaus gekauft, in dem er mit seiner ebenfalls angeklagten Partnerin lebte. Einen Porsche Cayenne fuhr er.
Doch allein mit dem Restpostengeschäft ließ sich das alles vermutlich nicht finanzieren. Seit Juni 2010 soll Erkan C. mit einem seiner Brüder bereits Marihuana aus Holland geholt haben. Doch die Brüder bekamen Streit, offenbar weil Erkan C. sich von seinem Bruder betrogen fühlte. Die Geschäftsbeziehung endete damit abrupt.
Danach organisierte Ercan C. laut Anklage den Rauschgifthandel mit dem gebürtigen Albaner Samir B. (40). Neben Marihuana sollte jetzt auch Kokain nach München geliefert werden. Lieferant war ein „Tata“ aus Rotterdam, als Kurier diente ein waschechter Holländer, der wohl für mehrere Organisationen illegale Drogen über die Grenze brachte.
Ein penibler Buchhalter, der da für sie arbeitete, so stellte sich hinterher heraus. Gut behandelten sie ihn nicht. Denn offenbar zahlten sie ihm nur selten den vollen Lohn für seine Fahrten. Jedes Mal, wenn er das ausstehende Geld ansprach, vertrösteten sie ihn. Als er am 14. Oktober mit 15 Kilogramm Marihuana bei Mannheim festgenommen wurde, hatte er seine „Schuldenliste“ komplett. Genau 12 000 Euro bekam er noch für seine Schmuggelfahrten. Geld, das er kaum gerichtlich hätte einklagen können.