Essen. 42 Jahre sind sie verheiratet, und jetzt, im Alter, sitzen sie vor Schöffenrichter Stefan Groß zusammen auf der An­klagebank. Untreue wird dem Borbecker Paar vorgeworfen. Vor allem der Mann soll als Schatzmeister des Lions-Clubs die Vereinskasse um 350 000 Euro erleichtert haben.

Im Mai 2010 war der Griff in die Kasse enttarnt worden. Damals räumte der 67 Jahre alte Angeklagte seine Schuld gegenüber dem Lions-Vorstand ein. Von 260 000 Euro veruntreuter Gelder sprach er und versicherte, weitere Fälle habe es nicht gegeben.

Konten geplündert

Gab es dann doch. Angeklagt ist jetzt eine Summe von 350 000 Euro, das Verfahren wegen weiterer Gelder ist eingestellt worden. Tatsächlich hatte der Borbecker Kaufmann nicht nur die Mitgliederbeiträge des Landesverbandes, sondern auch die des Ortsvereins „Assindia“ und des dazugehörigen Fördervereins, zuständig für wohltätige, soziale Zwecke, geplündert.

Ganz ehrlich war er auch nicht beim Zeitraum seiner Betrügereien. Denn nicht erst seit 2009, tatsächlich schon seit 2006 hatte er Gelder der Lions-Organisationen auf sein Privatkonto geleitet. „Eine Art Schneeballsystem“, kommentierte Richter Groß. Der Angeklagte sagte es vor­nehmer. Dass er bei den Kassenprüfern nicht auffiel: „Ich habe es so gestaltet, dass ich zum zielführenden Abschluss kam.“ Staatsanwalt Christian Bolik: „Manipuliert - sagen wir es so.“

In die finanzielle Schieflage war der ehemalige Unternehmensberater geraten, nachdem er mit zwei Immobilienfonds und dem Kauf eines Altenheimes Schiffbruch erlitten hatte. Dafür habe er zahlen müssen: „Ich bin ein Kaufmann, der, auch wenn formal der Untreue beschuldigt, immer seinen Verpflichtungen nachkam.“ Der Staatsanwalt sah es moralisch weniger einwandfrei: „Sie haben es anderen weggenommen.“

Aktiv hatte der Angeklagte auch Belege frisiert, um die Prüfer zu täuschen. Bolik zeigte sich unzufrieden, dass der Angeklagte daran keine Erinnerung mehr haben will. „Man verdrängt eben“, suchte Verteidiger Wolfgang Küpper-Fahrenberg seinem Mandanten zu helfen. Wirtschaftliche Not ist aktuell wohl nicht das Problem des Angeklagten. Er wohnt in Borbeck im Eigenheim seiner Frau, die zudem als pensionierte Kirchenbeamtin, früher zuständig für die Fortbildung evangelischer Religionslehrer, immer noch über ein gewisses Einkommen verfügen dürfte.

Studienreise gezahlt

Sie ist lediglich in einem Punkt angeklagt. Da soll sie für 20 Leute eine Studienreise nach Apulien organisiert haben. 39 000 Euro zahlten die Reiselustigen ein, dann soll ihr Mann das Geld abgezweigt und die Reise mit Geldern der Lions-Brüder beglichen haben. Ihr Mann habe immer das Finanzielle geregelt, entschuldigt sich die 66-Jährige. Sie habe von der Geschichte nichts mitbekommen. Sie habe das aus ihrem Elternhaus übernommen, dass der Mann fürs Geld zuständig ist: „Wenn ich mir eine Bluse kaufen wollte, habe ich meinen Mann gefragt. Und wenn kein Geld da war, habe ich keine Bluse gekauft.“