Vertraut hatte die fast 90-Jährige dem Essener Anwalt Rudolf B. (73). Im Sommer 2006 bevollmächtigte sie ihn mit ihrer Vermögensverwaltung. Zwei Jahre später war sie um 240.000 Euro ärmer. Vor dem Landgericht Essen gestand der Notar a. D. am Donnerstag.

"Er hat mich belogen und betrogen", empört sich die 90-Jährige, die im Rollstuhl sitzend in den Saal geschoben wird. Sie habe ihm vertraut, bekräftigt sie. Vom Verkauf ihrer Wohnung, 70 Quadratmeter und "sehr schön", habe sie keinen Pfennig gesehen. Wegen eines Oberschenkelhalsbruches habe sie selbst sich um die Geschäfte nicht mehr kümmern können. Die Enttäuschung über den ehemaligen Notar ist ihr anzumerken: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Mensch so etwas tut." Ihr verbliebenes Vermögen, etwa 30.000 Euro wird von den Heimkosten aufgezehrt: "Jetzt kann ich mir gar nichts mehr kaufen."

Rechtsanwalt Rudolf B. ist der Auftritt ersichtlich peinlich. Auch zu seinen Richtern spricht er sehr leise. Fehlinvestitionen in Immobilien hätten ihn in eine finanzielle Zwangslage gebracht, gibt er zur Entschuldigung an. Allerdings habe er Aussichten auf andere Geschäfte gehabt, so dass er "mit Sicherheit" größere Summen zu erwarten hatte. Das Geld von den Konten der Seniorin habe er deshalb als Darlehen angesehen, das er problemlos hätte zurückzahlen können. Doch so sicher waren seine Geschäfte wohl nicht. Geld floss bis heute nicht zurück.

Generalvollmacht

Der Jurist hatte vor Jahren die Erbschaft des verstorbenen Lebensgefährten seines späteren Opfers abgewickelt. Die damals 87 Jahre alte Frau vertraute ihm deshalb und bat ihn um die Verwaltung ihres eigenen Vermögens in Höhe von rund 300.000 Euro. Neben dieser Generalvollmacht erteilte sie ihm eine Betreuungs- und Patientenverfügung.

Rechnungen nicht bezahlt

Dieses Vertrauen missbrauchte der Inhaber einer alteingesessenen Kanzlei in Steele. Laut Staatsanwaltschaft hob er ab Sommer 2006 zwei Jahre lang in 129 Fällen Geld von den Konten der in einem Altenheim lebenden Frau ab. Die Sache flog auf, als Rechnungen des Heims nicht mehr bezahlt wurden. Auch das Taschengeld an sie übergab er nur noch unregelmäßig. Schließlich schaltete die heute 90-Jährige, die im Prozess selbst aussagen wird, einen anderen Anwalt ein, der die Vollmachten widerrief und die Staatsanwaltschaft einschaltete.

Berufsverbot beantragt

Vor der XXI. Wirtschaftsstrafkammer beantragte die Anklagebehörde ein Berufsverbot für Rudolf B., das bereits vorläufig gilt. Seine mangelnde Einsicht lasse vermuten, dass er auch künftig Mandantengelder veruntreuen könne. In seiner Einlassung weist er das zurück. Er sei nämlich für die Seniorin nicht als Anwalt, sondern "freundschaftlich" tätig geworden. Rudolf B.: "Ich habe gleich gesagt, als Anwalt mache ich die Vermögensverwaltung nicht."