Vor 85 Jahren besetzten französische Truppen das Ruhrgebiet. Angeblich leistete Deutschland als Verlierer des 1. Weltkriegs zu geringe Reparationen. ...

Auf einmal richteten sich französische Kanonen auf die Fabriken, in denen wichtige Reparationsgüter für Frankreich hergestellt wurden. Französische Soldaten in Oberhausen. Fotos (2): Musee Albert Kahn, Paris SCHWERPUNKT RUHRKAMPF
Auf einmal richteten sich französische Kanonen auf die Fabriken, in denen wichtige Reparationsgüter für Frankreich hergestellt wurden. Französische Soldaten in Oberhausen. Fotos (2): Musee Albert Kahn, Paris SCHWERPUNKT RUHRKAMPF © WAZ

... Claus Bredenbrock drehte dazu einen WDR-Film mit bisher unveröffentlichtem Material des Musee Albert Kahn Für die Menschen im Revier musste es den Anschein erwecken, als sei der 1. Weltkrieg verspätet an der Ruhr angekommen. Die meisten von ihnen hatten bis Januar 1923 nie einen französischen oder belgischen Soldaten zu Gesicht bekommen. Und im Gegensatz zu Nordfrankreich und Belgien waren deutsche Städte zwischen 1914 und 1918 von der Zerstörung verschont geblieben. Krieg zeigte dort allerdings sein Gesicht in totalem Zusammenbruch der Versorgung, den Tausenden von Toten und Kriegsinvaliden.

Der Friedensvertrag von Versailles zwischen Deutschland und den Alliierten, von national gesinnten Kräften in Deutschland von Anfang an als "Schandfrieden" bezeichnet, sah neben Gebietsabtretungen auch extreme Einschränkungen vor. Das Rheinland war besetzt, der Militärapparat auf eine reine Verteidigungstruppe minimiert und das Reich stöhnte unter extremen Reparationsleistungen. Kurz: Geld und Kohle. Letztere natürlich von der Ruhr.

Und diese Lieferungen gerieten ins Stocken, so jedenfalls die Sicht der französischen Regierung. Prompt schickte Premier Poincaré Truppen an die Ruhr. Über 60 000 Soldaten standen auf einmal zwischen Mülheim und Dortmund. Auf Essen mit den Krupp´schen Fabriken und dem Kohlesyndikat hatten die Franzosen natürlich ihr Hauptaugenmerk gerichtet. Das Gerangel war zäh, zog sich bis 1925 hin und blieb trotz der Forderung der Reichsregierung nach passivem Widerstand keineswegs gewaltfrei. Nationale Splittergruppen und Nazi-Trupps arbeiteten von Anfang an aus dem Hinterhalt, legten Bomben, attackierten die Besatzer. Ein 17-Jähriger wurde in Bochum erschossen, zwei französische Offiziere in Buer, und der Karsamstag bei Krupp in Essen kostete 13 Arbeiter das Leben, als sich die Franzosen plötzlich Tausenden von Arbeitern gegenüber sahen, die die Räumung eines Lastwagendepots verhindern wollten.

Eigentlich Fakten, die bekannt waren. Und dennoch: ein neuer Film. Für Filmemacher Claus Bredenbrock gab es grob gesagt zwei Gründe: Einmal die Frage, was war eigentlich im Ruhrgebiet los, als seine Eltern 1923 und 1924 geboren wurden? Da stieß er rasch auf die Ereignisse, die als "Ruhrkampf" in die Geschichte eingehen sollten und die das Verhältnis zwischen Deutschen und Franzosen bis weit in die 50er Jahre belasteten.

Dann stieß Bredenbrock auf das Musee Albert Kahn in Paris - und auf vier Stunden französisches Dokumentarfilmmaterial aus der Zeit, das noch nie in Deutschland zu sehen war. Dazu kommen etwa 400 (farbige!) Fotoplatten, die im besetzten Ruhrgebiet aufgenommen wurden.

Bredenbrock fand nicht zuletzt durch Aufrufe in der WAZ Kinder damaliger Zeitzeugen, die Eindrücke von damals schildern. Darunter auch der Essener Historiker Ernst Schmidt oder der Journalist Peter Scholl-Latour, der einige Jahre seiner Schulzeit in Bochum verbrachte. Ein spannender Doku-Film, der indirekt auch die langen Geburtswehen der ersten deutschen Republik beschreibt, die acht Jahre nach Abzug der Franzosen scheiterte.